Aufstand
und Untergang der Eburonen |
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2. Teil (Der erste Teil erschien auf dieser Seite am 29. Juni) 1. Die Lokalisierung von Atuatuca auf dem Hohenstein bei Eschweiler Bisher waren die Forscher der Meinung, wegen der Unklarheit bezüglich der Lage des Ortes Atuatuca sei die Bestimmung des geographischen Raumes unmöglich. Doch es lassen sich die im 1. Teil genannten Einzelheiten über lage und Gelände von Atuatuca ohne Ausnahme am Horst Hohenstein bei Eschweiler nachweisen. Wenn das Gebiet der Eburonen sich zum größten Teil zwischen Maas und Rhein erstreckte und wenn das castellum Atuatuca beinahe in der Mitte ihres Landes lag, dann trifft diese Lage für Eschweiler zu. Da rechts des Rheins die Sugambrer zwischen Sieg und Lippe siedelten, müssen wir die Fortsetzung des Eburonenlandes jenseits der Maas suchen. Ob das Atuatuca Tungrorum (Tongern), wo das Denkmal des Ambiorix steht, noch zum ursprünglichen Siedlungsgebiet der Eburonen gehörte, ist durchaus möglich, wenn auch nicht beweisbar. Jedenfalls beträgt die Entfernung von Hohenstein bis Köln in Luftlinie 52 km, bis Tongeren 55 km. Bis Maastricht sind es 38 km, von dort bis Tongeren noch einmal 18 km. Wenn Ambiorix in der Unterredung mit den Römern erklärt, die angeworbenen Germanen hätten bereits den Rhein überschritten und könnten in zwei Tagen in Atuatuca eintreffen, so erfordert dies bei einer Marschleistung von 30 km pro Tag (V 47) nicht einmal eine außergewöhnliche Anstrengung. Auf dem Hohenstein stehend kann man, wie Sabinus im Kriegsrat der Römer, mit einer gewissen Berechtigung sagen, der Rhein sei in unmittelbarer Nähe, wobei zu beachten ist, daß Sabinus den Abzug unbedingt will und den Rhein, woher die Germanengefahr droht, deswegen als sehr nahe bezeichnet. Aus der Angabe hingegen, wenn die Sugambrer noch drei Stunden weiterritten, würden sie Aduatuca erreichen, können wir keine sicheren Schlüsse ziehen, da wir nicht wissen, von welchem Punkt aus dieser Ritt anzusetzen ist. Von Bonn bis Eschweiler sind es in Luftlinie 60 km. Nun jagt ein Pferd im Schritt etwa sechs km, im Trag zwölf km, im Galopp 18 km zurück. Wir müßten also schon einen mehr als dreistündigen Galopp ansetzen, wenn der Ritt bereits in Bonn begonnen haben sollte. Dies würde sicherlich Mensch und Tier überfordern. Auch ritten die Sugambrer zur Tarnung ihres Unternehmens durch den Wald, zum Schluß zumindest, wo ein schnelles Vorankommen ohnehin nicht möglich war. Die Aussagen über die Entfernung Atuatucas zu dem Winterlager des Cicero bei den Nerviern und zu dem des Labienus bei den Remern an der Grenze der Treverer geben auf dem ersten Blick für die Lokalisierung des Ortes nichts her, um so mehr als diese beiden Lager noch nicht wiedergefunden worden sind. Nach Cäsars Angabe betrug die Distanz in beiden Fällen 150 km, nach der des Ambiorix im Gespräch mit den römischen Unterhändlern nur die Hälfte. Von Eschweiler aus gemessen sind die Zahlen des Ambiorix ohne Zweifel falsch, die des Cäsar hingegen richtig. Eine Strecke von 150 km führt von Eschweiler aus in das Land der Nervier zwischen Sambre und Schelde (Hennegau), und die gleiche Strecke etwa in Richtung Reims führt uns beinahe bis an die Maas und damit in das Grenzgebiet der Remer und Treverer. Nun waren diese beiden Winterlager ebenfalls 150 km voneinander entfernt. Wenn wir jetzt ein gleichschenkliges Dreieck von 150 km Seitenlänge mit der Spitze in Eschweiler ansetzen und es um den Hohenstein rotieren lassen, beschreiben wir einen Halbkreis, auf dem die gesuchten Lager gelegen haben dürften. Auch die Angaben Cäsars über das Gelände und die unmittelbare Umgebung des castellum Atuatuca stimmen mit der Lage des Hohensteins überein. Dieser liegt an der äußersten Spitze eines langen Bergrückens, der sich von Südosten nach Nordwesten erstreckt und zur Inde hin steil abfällt. Das Lager stand auf dem anschließenden Bergrücken, also auf einer Anhöhe, was ihm einen natürlichen Schutz verlieh. Weilt man nun auf dem Hohenstein, so erblickt man im Süden jenseits von Eschweiler-Stich den Stadtwald von Eschweiler, der sich in Richtung Donnerberg erstreckt. Dies ist der Wald, der die Sicht vom rückwärtigen Tor des Lagers her versperrte. Schauen wir nach Norden, so liegt vor uns das breite Tal der Inde, auf dessen gegenüberliegender Höhe die Autobahn verläuft. Hinter dieser beginnt nun das äußerst fruchtbare Jülicher Land. In einem Umkreis von 4,5 km befinden wir uns vollauf in der Jülicher Börde. Hier lagen die Saatfelder, in die der Kommandeur die 3000 Mann ausgeschickt hatte, um Getreide zu holen. Das Lager stand tatsächlich zwischen Wäldern einerseits und Feldern andererseits. Das Gelände nördlich der Inde kann man in der dort liegenden Senke jenseits des Flusses noch gut einen km weit einsehen, viel weiter aber nicht. Und westlich dieser Senke befindet sich jener Hügel, der keine Sichtverbindung zu den Getreideholern gewährte. Auf dieser Höhe liegt das Dorf Röhe mit seiner weithin sichtbaren Kirche. Die Entfernung vom Hohenstein zu dieser Kirche beträgt etwa 500 m. Das Blickfeld zum nahen Horizont war also begrenzt. Jene Getreideholer, die sich auf diesem Hügel gesammelt hatten, mußten, wenn sie ins Lager zurückwollten, in ein ungünstiges Gelände hinabsteigen, in das damals sicherlich noch versumpfte Tal der Inde, wo ein großer Teil von ihnen den Tod fand. 2. Die Lokalisierung der Schlacht im Stolberger Tal Schließlich stimmt auch die angegebene Entfernung zum nahegelegenen weiten Talkessel, in dem das römische Heer unterging, wie auch dieser selbst mit den geographischen Gegebenheiten überein. Wenn die Römer zum Winterlager im Lande der Nervier oder auch zu dem im Gebiet der Remer an der Grenze der Treverer abziehen wollten, dann mußten sie nach Südwesten marschieren. Sie konnten zunächst auf etwa der gleichen Höhe 180 wie das Lager bleiben, denn der Höhenstreifen 180 bis 200 ist als Teil der Vennfußfläche unbewaldet (Mitteilung Prof. Dr. Helmut Breuer, Aachen), mußten dann aber in das weite, sumpfige, an den unteren Hängen bewaldete Tal am Zusammenfluß von Vicht und Inde auf die Höhe 158 hinabsteigen. Anschließend wollten sie die verlassene Höhe 180 in Atsch wiedergewinnen und weiter nach Südwesten ziehen. Einen Durchmarsch oberhalb des Zusammenflusses von Vicht und Inde hätte die Römer gezwungen, nacheinander zwei enge, tiefe Täler zu durchqueren.
Die Vereinigung der beiden Flüsse unterhalb von Stolberg erfolgt tatsächlich etwa drei km von Stich entfernt, wo wir das rückwärtige Tor des Legionslagers vermuten. Ein tief eingeschnittener, breiter und fester, offenbar uralter Feldweg führt noch heute von der östlichen Höhe aus Richtung Stich herunter auf den Zusammenfluß zu, den er auf einer Furt im Ortsteil Steinfurt überschritt, um dann heute als feste Straße nach Durchquerung der Talsohle die Höhe von Atsch zu erreichen. Der ebene Talboden wird von der Höhenlinie 160 eingegrenzt; die Länge des Weges auf der Talsohle beträgt etwa 500 m. Das Gelände in diesem weiten, nicht steilen Talkessel mit seinen Wäldern und Sümpfen war für die schwerbewaffneten Römer mit ihrem langen Troß in der Tat äußerst ungünstig. Hier hatten die Eburonen daher den doppelten Hinterhalt auf der östlichen und westlichen Höhe des Tales gelegt. Eine Flucht in die versumpften Täler und Senken konnte der Armee keine Rettung bringen. Sie ging hier elend zugrunde. Das war die Schlacht bei Atuatuca im Jahre 54 v. Chr., in der Ambiorix im Freiheitskampf seines Volkes ein römisches Heer besiegte und vernichtete. Auf keine der vielen Orte, die den Anspruch erheben, das Atuatuca der Eburonen zu sein, passen die von Cäsar gemachten Angaben so genau wie auf den Hohenstein von Eschweiler und seine Umgebung. Das allein schon würde genügen, den bisher vergeblich gesuchten Ort hier zu lokalisieren. 3. Die Eburonenfestung Atuatuca auf dem Hohenstein bei Eschweiler Cäsar bezeichnet Atuatuca als castellum, als einen befestigten Platz. Hier auf dem Hohenstein befindet sich nun in der Tat eine gewaltige, offenbar prähistorische Festung, die durch schluchtenähnliche Gräben geschützt wird. Der gesamte nach Nordwesen gewendete vordere Bogen des Hohensteins, der heute bewaldet ist, ist in das Festungssystem einbezogen und nach hinten an seiner Sehne, wo das Gelände in den breiten Höhenrücken des Ichenbergs übergeht, durch einen 450 m langen, tiefen Graben von diesem abgetrennt. Der Graben verläuft in gerader Linie von Südwest nach Nordost und ist streckenweise 12 bis 15 m breit und fünf bis sechs m tief. Die ausgehobene Erde wurde nach beiden Seiten zu einem Wall aufgeworfen. Diese Anlage ist heute an drei Stellen unterbrochen, die Zugang in das Innere des Bogens gewähren. An seinem Südwestende im Tal stößt der Graben an einen Bach, der am Hang entlang fließt und etwas weiter in die Inde mündet. Im Nordosten endet dieser Graben an einer gewaltigen Schlackenhalde und setzt sich vielleicht noch auf einer kurzen Strecke unter dieser fort. Der Hang selbst ist nicht nur stellenweise äußerst steil, sondern zusätzlich noch durch ein doppeltes Grabensystem befestigt. Der untere Graben setzt an demselben Bach etwa 125 m unterhalb des rückwärtigen Grabens an. Zwischen den Enden beider Gräben ist der Hang so steil, daß man ihn kaum ersteigen kann. Dort, wo die Neigung des Hanges etwa nachläßt, sind die vorderen Gräben, der untere und der obere, angelegt. Sie ziehen sich um den Hang herum, nicht ganz bis zur Mitte, und hören dann auf. Anschließend führen zwei übereinanderliegende äußerst steile Böschungen die Befestigung weiter, enden aber auch recht bald. Zur nordöstlichen Ecke hin ist das System nicht mehr so klar durchgeführt. Vielleicht ist die Anlage hier gestört. Die Stelle, wo sich der rückwärtige Graben mit der vorderen Befestigung vereinigen müßte, dürfte heute unter jener schon erwähnten Schlackenhalde begraben sein. Beide Grabensysteme umschließen einen Platz, der annähernd die Form eines Bogensegments besitzt, in dessen Mitte heute ein schöner, großer Sport- und Spielplatz angelegt ist. Am Scheitel des Bogens ragt ein mächtiger Stein empor, Napoleonstein genannt, ein schwarzer Konglomeratfelsen, der Spuren menschlicher Bearbeitung aufzuweisen scheint. Die Lage dieses Steins am Scheitel des Bogens dürfte auch die Richtung des rückwärtigen Grabens bestimmt haben, der den Bergsporn nicht rechtwinklig, sondern schräg durchschneidet. Diese Eigenart der Anlage könnte darauf hinweisen, daß die Festung auch als Kultstätte diente und nah diesem Stein ausgerichtet war. War es ein Opferstein der Eburonen?
Der Höhenunterschied zwischen der Inde im Tal und der planierten Fläche auf dem Gipfel des Hohensteins beträgt 47 m. Der umschlossene Platz liegt 192 m hoch, der anschließende freie Bergrücken wird von der Höhenlinie 180 m eingefaßt. Der bewaldete Horst des Hohensteins mit dem Sportplatz in der Mitte dient heute er Bevölkerung von Eschweiler als Naherholungsgebiet und ist durch Parkplätze, Wege und Sitzbänke vorzüglich erschlossen. 4. Das Römerlager Atuatuca auf dem Hohenstein und dem Ichenberg bei Eschweiler An dem Vorhandensein der Eburonenburg kann wohl nicht gezweifelt werden. Da Cäsar nun sagt, daß Sabinus und Cotta ihr Winterlager in Atuatuca anlegten, müssen wir dieses Lager ebenfalls hier suchen. Für die Unterbringung von 9000 Mann war die Festung der Eburonen zu klein. Die Römer dürften ihr Lager im Anschluß an das Castellum errichtet haben. Hier setzt ein langgestrecktes, weites offenes Gelände an, das zu den Längsseiten hin abfällt, doch nach hinten, gegen Südosten hin, allmählich von 180 auf 190 m ansteigt, ein Höhenrücken also, der auf der Karte Tranchot-Von Müffling als Ichenberg bezeichnet wird. Was spricht für die Vermutung, das Römerlager liege auf dem Hohenenstein-Ichenberg? Zunächst konnten die Römer im Nordwesten den 450 m langen Wall-Graben der Eburonenfestung für ihr eigenes Lager benutzen und sich dadurch eine Menge Schanzarbeit ersparen. Hier lagen die dem Feinde zugekehrte Schmalseite des Lagers mit dem porta praetoria genannten Tor. Auf dem Scheitel des Höhenrückens ist der Eburonengraben unterbrochen: hier wurde er vermutlich zugeschüttet, vielleicht von den Römern selbst, die sich damit einen Zugang ins Innere der Eburonenfestung geschaffen hätten, wo die wachehabende Kohorte dann ihren Dienst vor diesem Tor versehen konnte. Die Rückseite des Lagers vermuten wir im Südosten in der Stich genannten Straße, die parallel zum Eburonengraben verläuft und von diesem etwa 1000 m weit entfernt ist. Diese Straße ist mit 20 Metern über Gebühr breit und könnte ein eingeebnetes Wall-Graben-System darstellen, auf das ihr Name Stich = Einstich = Graben vielleicht hinweist. Die Ecken der Römerlager
waren abgerundet. Eine solche Rundung befindet sich am
nordöstlichen Ende der Straße Stich, wo
Kommt Eschweilers Name von Atuatuca? (Fortsetzung des Artikels auf der Seite Magazin Über die beiden Längsseiten des Lagers und deren Tore vermögen wir nichts auszusagen. Nur eins steht fest: Wenn unsere Vermutungen über die beiden Schmalseiten des Lagers zutreffen, dann stellte dieses ein Parallelogramm dar, dessen Form durch den schrägwinklig verlaufenden Eburonengraben bestimmt war. Leider liegt der nordöstliche Teil des Lagers, wo dieses an den Eburonengraben stößt, unter der Abraumhalde begraben, wie auch sonst Industriewerke und Siedlungen auf dem angenommenen Gebiet des Lagers stehen. Der Ichenberger Tunnel führt die Schnellzugstrecke Brüssel-Köln unter Atuatuca hindurch. Auch hier ist durch die beidseitigen Einschnitte der Eisenbahn und durch angeschütteten Aushub das ursprüngliche Gelände stark gestört. Doch die noch vorhandenen Indizien erlauben, so meinen wir, das Vorhandensein eines großen Römerlagers dennoch wahrscheinlich zu machen. Dazu stimmt auch der Flächeninhalt des Lagers. Ein befestigtes Lager für eine Legion dehnte sich über eine Fläche von etwa 25 ha aus, so das Römerlager in Bonn und in Neuss. Ein Standlager für zwei Legionen nahm eine doppelt so große Fläche ein, wie das Lager Vetera I bei Xanten mit 56 ha. Das verschobene Rechteck des Lagers Atuatuca würde bei einer Länge von 1000 m und einer angenommenen Breite (=Höhe) von 400 m einen Flächeninhalt von 40 ha besitzen. Damit würde es in etwa die Mitte halten zwischen der Größe eines Lagers für eine Legion und der eines Lagers für zwei Legionen und Raum geboten haben für eineinhalb Legionen oder 9000 Mann. Genaue und zuverlässige Angaben werden erst Ausgrabungen erbringen können. Jedenfalls lagen beide Festungen, die der Eburonen und die der Römer, nebeneinander, durch den langen Eburonengraben voneinander getrennt. Die Römer werden sicherlich das schon vorhandenen Castellum in ihr Festungssystem einbezogen haben, schon wegen des Wachdienstes vor dem dortigen Tor. Wir dürfen annehmen, daß die Festung der Eburonen auch ihr Stammesheiligtum war, wo sie ebenfalls ihren Hort oder Schatz aufbewahrten. Vielleicht erklärt der Zugriff der Römer auf ihr Stammesheiligtum die Wut der Eburonen auf den Feind, den sie dann gnadenlos in den Tod schickten.
5. Der Name Atuatuca im Namen Eschweiler Der Name Atuatuca ist bisher noch nicht auf überzeugende Weise erklärt worden. Sicherlich war es ein Sachname und kein Eigenname, da er mehrmals vorkommt. Offenbar bezeichnete er eine Festung, wie Cäsars Aussage Id castelli nomen est, Das ist der Namen eines befestigten Platzes, (VI 32) nahelegt. In der handschriftlichen Überlieferung des Cäsartextes kommt neben der Form Atuatuca auch die Form Aduatuca vor. Erstere ist die ältere, wie sich aus der griechischen Schreibung des Namens Atuatuca für Tongern und die Atuatuker ergibt, letztere die jüngere. Betont man nämlich wie üblich nach lateinischer Art die drittletzte Silbe, also Atuátuca, dann entsteht folgerichtig die leichtere Aussprache Aduátuca. Führt ein Weg von diesem Namen zum Ortsnamen Eschweiler? Die erste Erwähnung des Namens Eschweiler findet sich 828 bei Einhard, dem berühmten Biographen Karls des Großen, in seiner Schrift von der Überführung und den Wundern des Heiligen Marcellinus und Petrus. Dort heißt der Ort Ascvillare und wird als Königsgut bezeichnet. Althochdeutsch Ask bedeutet Esche, daher Eschweiler. Nun gibt es für den Namen Atuatuca tungrorum (Tongeren) zwei Kurzformen, nämlich Aduaga Tungrorum (um 300) und Atvaca ohne Zusatz (um 365) auf der Peutingerschen Tafel. Setzen wir einmal als mögliche Urform von Asc-villare den Namen Atvaca-villare an und betonen ihn nach germanischer Art auf der ersten Silbe, dann erhalten wir átvace-villar. Infolge der Länge des Namens kann, wie das oft geschieht, die zweite, schwachbetonte Silbe wegfallen (Synkope). Es bliebe átca-villar. Nun findet im deutschen Sprachraum im 5. bis 7. Jahrhundert die zweite, sogenannte Hochdeutsche Lautverschiebung statt. Dabei wandelt sich das t im Inlaut zu s, während das k nach Konsonant erhalten bleibt. Ergebnis: ásk-villar. Dieses Wort ask wurde in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht mehr verstanden und folglich mit althochdeutsch ask = Esche gleichgesetzt. In Wirklichkeit bedeutet Eschweiler Weiler an der Festung. So besteht der eburonische Name Atuatuca im Ortsnamen Eschweiler fort. 6. Die Sage von der untergegangenen Römerstadt Gression Die Erinnerung an das Römerlager Atuatuca dürfte in der Sage von der untergegangenen Römerstadt Gression weiterleben. Diese war von gewaltiger Ausdehnung. Sie war so groß, daß man sieben Stunden benötigte, um die der Länge oder der Breite nach zu durchqueren. Sie habe einmal von Kornelimünster im Süden bis Kirchberg kurz vor Jülich im Nordosten, von Würselen oder sogar Vetschau bei Aachen im Westen, bis Pier, Merken, Hoven und Distelrath nach Osten hin gereicht. Sie war mit Mauern und Toren versehen, mit Burgen und Festungsbauten bewehrt, mit Tempeln und Palästen geschmückt und lag an einem schiffbaren Fluß. Die Einwohner waren Römer bzw. Heiden und klein von Gestalt. Die Stadt ging unter, weil sie von Feinden erobert, zerstört und niedergebrannt wurde, so sagen die einen; wegen des lasterhaften Lebenswandels ihrer Einwohner sei eine große Sündflut über die Stadt hereingekommen und habe alles vernichtet, so berichten die andern (vgl. Walter Kaemmerer, Eschweiler in seiner Geschichte, I. Teil, Die Vorzeit, Eschweiler 964, S. 92 ff., Zitat S. 92). Die Römerstadt Gression wird oft wegen der Namensähnlichkeit mit der Ortschaft Gressenich, südöstlich von Eschweiler identifiziert. Dies widerspricht jedoch der gewaltigen Ausdehnung der Stadt. Wenn wir die Ausmaße von Gression auf eine Karte übertragen, stellen wir fest, daß Eschweiler im Mittelpunkt dieses Stadtgebiets liegt. So sind wir geneigt, in der sagenhaften Römerstadt Gression ein durch volkstümliche Ausschmückung überhöhtes Bild des Römerlagers zu erblicken. Nach dem endgültigen Abzug der römischen Besatzung und ihrer Verlegung an den Rhein lag das Lager verlassen da. Mit seinen Wällen und Toren, seiner langen, sich rechtwinklig kreuzenden Straßen, seinen in Reih' und Glied errichteten Unterkünften für 9000 Mann bot es den Anblick einer riesigen Stadt, welche die Phantasie von Menschen beeindruckt haben muß, die nur Dörfer und Gehöfte kannten. Vielleicht hat sich die Erinnerung an den Untergang der römischen Armee mit dem Anblick des verlassenen Lagers in der Sage zu einer Einheit verbunden. Vom Untergang der Eburonen hingegen weiß die Sage nichts zu berichten. Der Name Gression hängt sicherlich nicht mit Gressenich zusammen, viel eher stammt er ab von einer möglichen Bezeichnung Kaisárion (Caesárium), Stadt des Caesar, für das verlassene Römerlager Atuatuca, ein Name, der sich bei der germanischen Betonung der ersten Silbe zunächst zu Käsrion, Késrion, dann mit Umspringen des r (Metathesis des r) zu Kresion, Cression entwickelt und sich schließlich zu Gression wandelt, genau wie Gressenich selbst aus Crasciniacum (erstmals 844 urkundlich erwähnt) entstanden ist. Um die eburonische Stammesfestung und das Römerlager Atuatuca auf dem Hohenstein und Ichenberg bei Eschweiler zu lokalisieren, haben wir Beweise aus den literarischen Quellen ,aus der geographischen Lage und Beschaffenheit des Ortes, aus den sichtbaren Spuren im Gelände, aus der Sprachwissenschaft und aus der Sage - letztere als ergänzende Hinweise - erbracht, doch noch keine archäologischen Beweise, also Funde aus der fraglichen Zeit. Nur wissenschaftliche Ausgrabungen durch Fachleute der Archäologie können diese entscheidenden Beweise ans Tageslicht bringen. (Der Vorbericht zur Entdeckung von Prof. Drees erschien in Nr. 145 vom 28. Juni, der erste Artikel von Professor Drees in Nr. 146 vom Samstag dem 29. Juni.) |
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Quelle: Wochenendbeilage der
Aachener Volkszeitung vom 6. Juli 1974 |
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