Das Rheinische Freilichtmuseum in Kommern eröffnet
Von Karl Otermann

In den Heimatkalendern 1959 und 1961 des Kreises Euskirchen hat der mit dem Aufbau des Freilichtmuseums beauftragte Landesmuseumsrat Dr. A. Zippelius über die Bedeutung, die Aufgaben und erste Bauzeit des Museums berichtet. Wir erfuhren auch, daß bereits in dem verhältnismäßig regenreichen Jahre 1960, und obwohl das Museum noch nicht eröffnet war, schon über 30.000 Besucher gezählt worden waren.

Am 20. Juli 1961 gab es dann den für die landschaftliche Kulturpflege des Rheinlandes bedeutsamen Tag der Eröffnung des Rheinischen Freilichtmuseums Kommern bei Euskirchen. Aus dem ganzen Rheinland und dem benachbarten Ausland waren die Gäste und Freunde erschienen, herzlich begrüßt von dem Vorsitzenden der Landschaftsversammlung Rheinland, Dr. Dr. h. c. Ernst Schwering, Köln.
Aus den grundsätzlichen Ausführungen, die in der festlichen Stunde auf dem Kahlenbusch in Kommern Landrat Dr. H. Schaefer und Landesmuseumsrat Dr. A. Zippelius machten, geben wir in diesem Beitrag einige Ausschnitte.

Landesrat Dr. Schaefer: Wer heute aus unseren Großstädten hergekommen ist, hat es leicht zu erkennen, daß die Errichtung des Rheinischen Freilichtmuseums notwendig war. Wenn er sich Gedanken macht über die extreme Bedrohung des Rheinlandes durch Kriegsfolgen, Industrieballung und Überbevölkerung und über die grausame Schnelligkeit, mit der unsere technisierte Epoche die Zeugnisse früherer Lebensformen und des Geistesausdrucks unserer Voreltern hinwegfegt, wird er nicht ohne Bitterkeit feststellen, daß diese Gründung schon vor fünfzig, wenigstens aber vor dreißig Jahren hätte erfolgen sollen. Unwiederbringlich verloren sind wertvolle Kulturerzeugnisse, die damals nicht geborgen wurden. Zum Beispiel ist es heute nicht mehr möglich, den Urtyp des niederdeutschen Haufenhofes, der einstmals typischen und ganz verbreiteten Bauform der Bauern am Niederrhein, in einem einzigen Original zu erhalten. Sollen wir anklagen? Erfüllen wir selbst alle Verpflichtungen der Kulturpflege, um gegen spätere Vorwürfe gesichert zu sein?


Blick auf die Baugruppe Eifel und Köln-Bonner-Bucht mit der Kapelle aus Schützendorf, Kr. Schleiden

Der Wunsch nach einem Freilichtmuseum ist nicht neu. Albert Steeger, der große Heimatforscher am Niederrhein, hat bereits in der Mitte der dreißiger Jahre dem zuständigen Sachbearbeiter bei der Provinzialverwaltung entsprechende Pläne vorgetragen ... 1939 war es so weit, daß Professor Dr. Steeger mit dem damaligen Museumspfleger der Rheinprovinz Dr. Vogler eine Reise nach Schweden, Norwegen und Dänemark durchführen konnte, um den Aufbau der Freilichtmuseen kennenzulernen. Infolge des zweiten Weltkrieges ist der Plan erst 15 Jahre später ausgereift.


Landesmuseumsrat Dr. A. Zippelius (links), wegen seiner Forschungsarbeiten über das niederrheinische Bauernhaus mit dem „Albert-Steeger-Preis“ des Landschaftsverbandes ausgezeichnet, im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Landschaftsversammlung, Dr. Dr. h.c. Ernst Schwering. In der Mitte Landtagsabgeordneter R. Fellmann

Nur die Standortfrage war noch ein Gegenstand heftigen Streits, der mitten durch die Parteien ging. Erst nach zwei geheimen Abstimmungsgängen in der Landschaftsversammlung wurde am 28. März 1958 Kommern als Standort gewählt. Sicherlich konnte keine bessere Entscheidung getroffen werden. Die attraktive Lage eines Museums in einem Erholungsgebiet kommt dem rapid gestiegenen Bedürfnis breiter Bevölkerungskreise, die Freizeit in einer schönen Naturlandschaft zu verbringen, in geeigneter Weise entgegen. Unsere Spezialisten für die rheinischen Bauernhäuser, Dr. Adelhart Zippelius und sein engster Mitarbeiter Gerhard Eitzen, hatten nur auf den Startschuß gewartet. Sie sprangen förmlich in die Arbeit und erreichten durch ihren Eifer mit geringen Mitteln in drei Jahren mehr, als wir von ihnen und als sie wohl selbst erwarten konnten. Sie und alle ihre Mitarbeiter haben nicht nach Dienststunden oder nach der Fünftagewoche gefragt und damit wieder bewiesen, daß der Wissenschaftler in seinem Idealismus der beste Staatsdiener ist. Wir dürfen mit ihnen auf den Aufbau des ersten Abschnittes des Rheinischen Freilichtmuseums stolz sein. Bei allem Bedauern für das Unwiederbringliche sind wir überzeugt, daß durch die Erhaltung der noch vorhandenen Kulturgüter zur rheinischen Volkskunde unseren Nachkommen ein wertvoller Schatz hinterlassen werden kann. Mit seinem Einsatz für die heimatliche Kultur bekundet ein Volk, was es in Wahrheit gilt.“

Dr. Schaefer schloß mit einem Wort des Altmeisters der skandinavischen Volkskunde und des Begründers des Nordischen Museums in Stockholm, des Schweden Dr. Arthur Hazelius (1833 - 1901):

„Es kann der Tag kommen, da all unser Gold nicht reicht,
uns ein Bild von der entschwundenen Zeit zu formen.“

Dr. Zippelius: „Seit wir im Frühsommer des Jahres 1959 hier oben im Museumsgelände mit den Aufbauarbeiten begannen, sind wenig mehr als zwei Jahre verstrichen. Und wenn wir den langen Weg überblicken, der noch vor uns liegt, bis das Museum eine erste endgültige Form gewinnen wird, so werden Sie mir recht geben, wenn ich sage, daß diese Eröffnung eigentlich mitten in der Bewegung erfolgt. Und unser Blick auf das bisher Geleistete gleicht darum auch mehr einer Momentaufnahme, die uns nur eine Phase des sich in der kommenden Zeit ständig wandelnden, erweiterten und hoffentlich noch wesentlich verbessernden Bildes zeigen kann. Für den Aufbau haben wir uns, wie Sie wissen, einen Zeitraum von rund zehn Jahren vorgenommen, und in dieser Zeit sollen etwa sechzig Baudenkmäler aus dem ganzen rheinischen Raum nach Kommern gebracht und im Museum wieder aufgebaut werden.

Wir haben darum auch lange gezögert, den Termin der Eröffnung schon so verhältnismäßig früh anzusetzen. Und ich muß gestehen, daß diese frühzeitige Eröffnung auch vom rein musealen Standpunkt aus gar nicht so sehr begrüßenswert erscheint; denn den Aufbauarbeiten selbst bringt der Besucherverkehr nur Unannehmlichkeiten. Aber wir glaubten, in diesem Falle doch den Wünschen der Besucher nachgeben zu müssen; denn sie kommen in so unerwartet großer Zahl - es waren im vorigen jahr schon über 30.000, und es werden in diesem Jahre nach der bisherigen Entwicklung noch wesentlich mehr sein -, daß wir ihrer ohne geordneten Museumsbetrieb einfach nicht mehr Herr werden. Wenn ohne größeren Einsatz von Werbemitteln, trotz reichlich ungünstiger Wetterverhältnisse, und ohne daß wir schon viel zeigen konnten, schon so viele Menschen aus nah und fern den Weg zu uns gesucht haben, so glaubten wir uns diesen Wünschen nicht mehr länger verschließen zu können. Sie mögen aber daraus ersehen, daß auch im Hinblick auf die Besucher der Landschaftsverband Rheinland ganz sicher einem echten Bedürfnis mit dieser Museumsgründung entgegenkam, und gleichzeitig dürfen wir mit Genugtuung noch einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Wahl des Platzes, vom Besucher aus gesehen, in jeder Weise richtig war.


Der Hof aus Scheuerheck, Kr. Euskirchen, trägt im Türsturz die Jahreszahl 1711

Es kam etwas auf uns zu, das wir in seinem Ausmaß und in seinem Tempo zweifellos vorher unterschätzt hatten, und das uns wahrhaftig mehr als einmal bis an den Rand der Verzweiflung brachte. Ich meine jetzt die Entwicklung draußen im Lande, die Entwicklung, die zur Zerstörung der Baudenkmäler führt. Wie eine Sturzflut hat sie alle unsere Planungen und sorgfältigen Berechnungen zunichte gemacht. Hatten wir anfangs geglaubt, in einem Jahre vier bis fünf Bauwerke abbrechen und die gleiche Zahl im Gelände wieder aufbauen zu können, so mußten wir, beginnend im Herbst 1958, bis zum heutigen Tage nicht weniger als 32 Bauten im ganzen Einzugsgebiet des Museums, am Niederrhein, im Bergischen, in der Eifel und im Westerland abbrechen und nach Kommern bringen. Das ist schon über die Hälfte der für den Endzustand vorgesehenen Gebäude, und ich möchte ausdrücklich betonen, daß es sich dabei ausnahmslos um unaufschiebbare Abbrüche handelte, um Bauten, die heute ohne unser Eingreifen sang- und klanglos verschwunden wären.“

Dr. Zippelius wandte sich dann den eigentlichen Aufgaben und der Bedeutung eines derartigen Museums in unserem Lande und in unserer Zeit zu: Museen als Stätten von Wissenschaft und Forschung, Museen als Bildungsstätten! Eines der Hauptmerkmale des Freilichtmuseums Kommern sei, daß es sich dort um Kulturgüter handle, die nach der Art und Weise ihrer Herstellung, nach Form und Gestalt, sowie schließlich nach der Art ihrer Funktion und Geltung einer abgeschlossenen Kulturepoche angehören. Ein Freilichtmuseum habe die Möglichkeit, die übernommenen Denkmäler und kulturellen Güter in ihren ganze ehemaligen Lebenszusammenhang einzuordnen und in diesem Zusammenhang darzustellen.

„Wie ich betonte, nehmen wir die erzieherische Aufgabe des Museums sehr ernst. Wir wenden unseren Blick dabei vorrangig der Jugend und ihren Lehrern zu. Denn von ihr wird es abhängen, ob unsere Arbeit Früchte trägt. Die weitläufige Anlage des Museums und die Schönheit seiner natürlichen Umgebung, in die wir es einbetten werden, kann uns die Aufgabe erleichtern. Denn wirklich erzieherische Kräfte wirken abseits vom Getriebe und lautem Pathos. Und wenn ich Sie bitte, diesem Museum einen Wahlspruch mit auf den Weg zu geben, wo wüßte ich keinen besseren als die Worte des größten Pädagogen unserer Zeit, Eduard Sprangers:

„Wirklich Geistiges vollzieht sich in der Stille. Stärkste Wirkungen kommen auf Taubenfüßen. Man kann aus dem Erziehen kein Gewerbe machen, das immer mi einem spezifischen Betriebslärm verbunden ist.“

Wie sich schon die frühzeitige Eröffnung auf die Besucherzahl ausgewirkt hat, ergibt sich daraus, daß vom Tage der Eröffnung bis Ende September 1961 bereits 22.000 zahlende Besucher im Rheinischen Freilichtmuseum Kommern gewesen sind.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1962

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