Aus dem Rheinischen Freilichtmuseum Kommern
von Hans-Georg Schmeling

Das Rheinische Freilichtmuseum erfreute sich auch im Jahre 1964 wachsender Beliebtheit. Über 100.000 Personen haben 1964 unser Museum besucht.

In Anbetracht dieser Entwicklung sind wir besonders froh, daß wir im vergangenen Jahre mit der Errichtung unseres zweiten „Museumsdorfes“, der Baugruppe Westerwald-Mittelrhein-Hunsrück, beginnen konnten. Als erstes Gebäude wurde hier ein Gehöft aus Hanf (Siegkreis) erbaut. Unter einem Dach sind in diesem langgestreckten Baukörper alle zur Hofanlage gehörenden Gebäude vereinigt. Deshalb bezeichnet man diese Hofform schon seit langem als „Einheitshaus“.

Anschließend entstehen in dieser neuen Baugruppe das Kelterhaus und ein Stallgebäude aus Oberdollendorf (Siegkreis). Eine Zahl im Torsturz des Kelterhauses gibt als Erbauungsjahr 1641 an. Entsprechend seiner ursprünglichen Bestimmung bringen wir hier eine Kelter, Weinfässer und einiges Geräte unter, die bei der Weinlese und der Weinbereitung benötigt wurden.

Aber auch die Arbeiten in der Baugruppe „Eifel und Köln-Bonner Bucht“ wurden fortgeführt. Hier wurde vor allem die Hofanlage aus Elsig und Wallenthal fertiggestellt und zum Besuch freigegeben. Diese Anlage weicht in einigen Dingen von unseren bisherigen Bauten ab. Bis jetzt konnte der Besucher als typische Hofformen für die hiesige Gegend nur den offenen Winkelhof (Scheuerheck) und den nachträglich geschossenen Winkelhof (Binzenbach) kennenlernen. Die Gebäude aus Elsig und Wallenthal bilden jedoch einen völlig anderen Hoftypus: die vierseitig geschlossene Hofanlage. Die Entstehung dieser Hofform hatte mehrere Gründe:

  1. Das Anwachsen des bäuerlichen Besitzes erforderte auch eine größere Anzahl von Gebäuden.

  2. Seit dem 17. Jahrhunderte war man bestrebt, die einzelnen Gebäude auf dem Hofplatz übersichtlich zu ordnen und gleichzeitig den Hofraum allseitig abzuschließen.

  3. Die zunehmend engere Bebauung innerhalb der Dörfer zwang dazu, mit einer geringeren Fläche als vorher auszukommen.

Nachdem sich dieser Hoftypus in der Praxis bewährt hatte, wurden neue Höfe oft rein schematisch in dieser Form errichtet. Noch heute finden wir in unserem Kreise Ortschaften, deren gesamtes Straßenbild durch solche Vierseithöfe bestimmt wird.


Das Wohnhaus Rick-Wilden aus Elsig (Anna 1710) vor dem Abbruch für das Freilichtmuseum Kommern

Hauptgebäude dieser vierseitigen Hofanlage in unserem Museum ist das Wohnhaus aus Elsig (Kreis Euskirchen). Dem Besucher fällt sofort eine Inschrift auf, die sich über die gesamte Vorderfront erstreckt: „ANTHONEN ALTHAUSENS WITTIB CATHARINA ROEVENICHS HAT DIESE BEHAUSUNG ERBAWEN UNDT AUFFRICHTEN LASSEN ANNO 1719 DEN 20 JUNY. Darunter befindet sich eine zweite Inschrift auf dem vorgeblendeten Gesims über den Türstur: „Pax Intratibus + Salus Exeuntibus“.

Das letzte Wort ist etwas undeutlich geschrieben, weil der Schnitzer wahrscheinlich die lateinische Sprache nicht beherrschte. Aber der Sinn des Spruches ist klar: „Friede den Eintretenden, Heil den Scheidenden“. Der Rest einer dritten Inschrift ist im Außengiebel am Fuß des Obergeschosses zu erkennen: „O Herr beschirme dies Haus ...“ Zweifellos folgte die übliche Bitte um Schutz für die Ein- und Ausgehenden sowie um Bewahrung vor Feuer und Brand.

Im Gegensatz zu den meisten Häusern in der Baugruppe „Eifel und Köln-Bonner Bucht“ steht das Haus aus Elsig nicht mit dem Giebel, sondern mit der Traufseite und dadurch also mit dem Eingang zur Straße. Diese Traufenstellung ist seit dem 17. Jahrhundert sehr beliebt geworden, wahrscheinlich durch städtischen Einfluß hervorgerufen. Natürlich hängt sie auch mit der erwähnten Absicht zusammen, das Leben und Treiben auf dem Hofplatze dem Blicke neugieriger Straßenpassanten zu entziehen. Außerdem ist es durch die Traufenstellung dem Besucher möglich, das Haus unmittelbar von der Straße her zu betreten, ohne erst den Hofraum überqueren zu müssen.


Das Wohnhaus aus Elsig nach seinem Wiederaufbau im Rheinischen Freilichtmuseum

Das Innere des Hauses weist ebenfalls einige Besonderheiten auf. Zunächst bemerken wir in dem ziemlich hellen Herdraum eine Tür, die zum Hofraum führt. Dadurch erhält dieser Raum zusätzlich die Funktion eines Flures, verliert aber seine Eigenschaft als Hauptaufenthaltsraum. Er wird mehr zur „Küche“ im heutigen Sinne, in der nur noch das Essen bereitet wird. Die Mahlzeiten aber werden in der Stube eingenommen, und die Hausfrau verlegt ihre Haupttätigkeit in die sich rechts anschließende Kammer. Dort befinden sich daher auch die Pumpe und der Spülstein. Ein großer Waschbottich und einige entsprechende Gefäße lassen uns erkennen, daß hier auch die Wäsche gewaschen wurde.

Die Stube liegt in dem Haus aus Elsig auf dem gleichen Niveau wie der Herdraum. Sie ist zwar noch gleichzeitig der Schlafraum für das Ehepaar, aber die Schlafstätte befindet sich hinter einer Bettwand und ist somit den Blicken entzogen. Die Tür zu diesem „Wandbett“ unterscheidet sich äußerlich kaum von dem daneben eingebauten Wandschrank.

Ferner befindet sich in dieser Stube nicht mehr die Takenheizung, sondern schon eine fortschrittlichere Art der Beheizung, der sogenannte „Hinterladerofen“.

Bemerkenswert ist auch die besonders sorgfältige Ausführung der sogenannten „Kölner Decke“. Wenn wir das Wohnhaus verlassen und auf den Hofplatz treten, sehen wir einen schmalen Schuppen, die Scheune mit den Viehställen sowie ein langgestrecktes, zweigeschossiges Bauwerk, das als Vorratsraum und Stall diente und auch die Backstube enthält.

Besondere Aufmerksamkeit jedoch verdient die neben dem Hoftor aufgestellte große Kelter, die aus Haus Dürffenthal bei Ülpenich (Kreis Euskirchen) stammt. Eine kurze Inschrift im oberen Rahmenwerk zeigt das hohe Alter dieses Gerätes an: IG + AB - 1683. Vielleicht ist der Besucher verwundert, ein solches Gerät auf einem Eifelhof zu sehen. Aber in früheren Zeiten war Keltern auch im Kreise Euskirchen keine Seltenheit, denn auch hier wurde Weinbau betrieben. Bereits im Jahre 893 wird im Güterverzeichnis der Abtei Prüm Weinbau in den Orten Iversheim, Gymnich, Enzen und Weingarten erwähnt. Für Schwerfen ist Weinbau im Jahre 1354, für Münstereifel im Jahre 1399 bezeugt. Die Kelter im Hofe Elsig / Wallenthal verweist uns auf diese längst vergangene Rebkultur in unserem Heimatkreise, an die sonst nur noch einige Orts- und Flurnamen erinnern.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1965

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