Aus dem Rheinischen Freilichtmuseum Kommern
von Hans-Georg Schmeling

Das Hauptthema zahlreicher Gespräche und Berichte war im vergangenen Kalenderjahr zweifellos „das Wetter“. Es dürfte wohn nicht sehr lange dauern, die wenigen regenfreien Tage des letzten Sommers aufzuzählen. Naturgemäß war die Unzufriedenheit bei den Landwirten und den Urlaubern am größten. Aber auch in unserem Freilichtmuseum wurde jede Wettervorhersage kritisch zur Kenntnis genommen und der meist wolkenbehangene Himmel mit Sorge betrachtet. Ein Museum im herkömmlichen Sinne, also zum Beispiel ein Heimatmuseum, wird von der jeweiligen Witterung nur wenig berührt. Die Elektrizität verhilft dort zu einer stets guten Beleuchtung, und die verschiedenartigsten Heizungsmöglichkeiten lassen allzeit eine angenehme Temperierung zu. Aber Freilichtmuseen - Museen unter freiem Himmel - sind in weit stärkerem Maße vom Wetter abhängig. Ein Rundgang durch unsere bisher erstellen Gebäude und Baugruppen nimmt mindestens zwei Stunden in Anspruch. Natürlich ist ein solcher Besuch in unserem Museumsgelände bei strahlendem Sonnenschein weit angenehmer und erbaulicher als bei strömendem Regen. Darüber hinaus werden aber auch die Aufbauarbeiten durch eine schlechte Witterung stark beeinträchtigt. Alle diese Gründe haben dazu geführt, daß einige ausländische Freilichtmuseen nur während der Sommermonate für den Publikumsverkehr geöffnet sind.


Im Freilichtmuseum Kommern

Zweifellos kann man also behaupten, daß auch unser Museum durch den regenreichen Sommer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Trotzdem haben wiederum über 100.000 Personen das Freilichtmuseum besucht. Eine solche Zahl hätten wir angesichts der ungünstigen Wetterverhältnisse nie erwartet.

Es ist an dieser Stelle schon davon berichtet worden, daß der rapide Strukturwandel in der Landwirtschaft uns gezwungen hat, weit mehr Abbruchunternehmungen durchzuführen als ursprünglich geplant war. Etwa zwei Drittel aller Gebäude, die in den kommenden Jahren in unserem Museumsgelände erstehen sollen, sind bereits abgebrochen worden und lagern im Walde. Um diese Hölzer nicht allzusehr den Witterungseinflüssen auszusetzen, wurde an einem Seitenweg eine große Feldscheune errichtet, die im August 1965 in Müddersheim (Kreis Düren) von unseren Arbeitern abgebrochen wurde.


Dachdecker aus Niedersachsen bei der Arbeit

Im übrigen wurden 1965 vor allem die Arbeiten in der Baugruppe Westerwald-Mittelrhein fortgesetzt. Breite Wege wurden in das Waldgebiet geschlagen, so daß jetzt ein wirklicher Rundgang durch das Museum möglich ist. Außerdem wurden die drei bereits erstellten Bauwerke des Westerwald-Dorfes mit einem Strohdach versehen. Diese uralte Deckungsart war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein im gesamten Rheinland verbreitet und konnte auch trotz zahlreicher Verbote und Gesetze nur allmählich zum Verschwinden gebracht werden. Da unsere Museumsbauten in ihrem Erstellungsjahr ausnahmslos mit Stroh gedeckt waren, müssen sie auch bei uns wieder ein Strohdach erhalten. Aber so leicht, wie es den Anschein hat, ist diese selbstverständliche Forderung gar nicht zu erfüllen. Zur Dachdeckung benötigen wir mannshohes Roggenstroh. Es darf nicht mit der Maschine gedroschen sein, denn die Halme dürfen aus begreiflichen Gründen nicht gebrochen oder gestampft werden. In unserer weiteren Umgebung ist solches Stroh nicht zu erhalten, deshalb müssen wir für jedes Hausdach die notwendigen Strohbunde aus dem Bezirk Bremen nach Kommern holen. Auch die Dachdecker kommen aus Niedersachsen, weil im Rheinland kaum noch ein Dachdecker diese alten Deckungsmethoden beherrscht.

In der Baugruppe Westerwald-Mittelrhein ist auch das Haus aus Bilkheim (Westerwald) fertiggestellt worden. Fast ein halbes Jahr haben unsere Zimmerleute allein für die Vorarbeiten zum Wiederaufbau dieses Gebäudes gebraucht. Diese lange Zeitspanne ist nötig gewesen, weil in diesem Bauwerk eine gewaltige Holzmenge verarbeitet worden ist. Immer wieder bestaunen die Besucher die wuchtigen Ständer aus Eichenholz, die eine Stärke von nahezu 60 cm aufweisen. Im Türsturz über dem Haupteingang sehen wir eine Inschrift mit folgendem Wortlaut: IHM ANVANG WAR DAS WORT VND DAS WORT WAR BEI GOTT VND GOTT WAR DAS WORT! DIS HAVS HAT THEIS KLOFT ERBAVT! DIS HAVS STED IHN GOTTES HANT GOTT BEHVETE ES VOR FEVER VND BRANT! AMEN. 1687. Das Wohnhaus hat 2 ½ Stockwerke. An seiner Westseite ist ein sogenannter „Niederlaß“ angebaut worden, der durch das weit abgeschleppte Dach des Wohnhauses überdeckt ist und das Gebäude dadurch zur Wetterseite hin abschirmt. Auf diese Weise entstand ein Bauwerk mit einer hohen und einer niedrigen Traufseite. Solche Bauten sind im Rheinland, soweit es dem Bereich der mitteldeutschen Bauweise angehört, häufig zu finden. In unserem Museum ist das Haus aus Bilkheim zweifellos das bisher größte und eindrucksvollste Gebäude.


Baugruppe Westerwald - das haus aus Bilkheim (1687)

Der neue Rundgang führt den Besucher dann an einen modernen Bruchsteinbau, in dessen Souterrain sich ein großes Magazin befindet. Der Raum darüber ist eine geräumige Ausstellungshalle. Hier wird der Besucher in der kommenden Zeit wertvolle Gegenstände der bäuerlichen und handwerklichen Kultur besichtigen können, die wir wegen ihres Wertes nicht in den Museumsbauten ausstellen können.

Erfreulicherweise ist das Interesse an unserem Museum unter den Schülern und ihren Lehrern ständig gestiegen. Unsere Bauten bieten mit ihrer stilechten Inneneinrichtung ja auch reiches Anschauungsmaterial, vor allem für den Unterricht in Heimatkunde, Geschichte und Geographie. Aus diesem Grunde haben wir 1965 auch erstmalig alle Schulen im Rheinland angeschrieben, sie auf die Möglichkeiten eines Museumsbesuches hingewiesen und ihnen unseren Museumsführer zugesandt. Wir können erfreut feststellen, daß dieser Aktion reicher Erfolg beschieden war. Es ist zu erwarten, daß der Zustrom von Schulklassen auch im nächsten Jahre wieder ansteigen wird. Hoffen wir, daß der Sommer 1966 uns recht viel Sonnenschein bescheren wird!

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1966

Fotos: Landeskonservator

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