Aus dem Rheinischen Freilichtmuseum in Kommern
Von Hans-Georg Schmeling


Über 7000 Gäste an einem Wochenende - dieser Besucherrekord wurde anläßlich der Sternwanderung des Eifelvereins am 27. und 28. Mai 1967 aufgestellt. Unter dem Motte „Lebendiges Museum“ hatten der Eifelverein und das Freilichtmuseum zu dieser zweitägigen Veranstaltung eingeladen. Im Anschluß an unsere Baugruppe „Eifel und Köln-Bonner Bucht“ war ein großes Festzelt errichtet worden, in dem am Sonntagmittag eine kräftige Erbsensuppe ausgeteilt wurde und abends die „Ladykillers“ zum Tanz aufspielten. Während der Festveranstaltung am Sonntagnachmittag spielten der Musikverein Kommern und das Mandolinenorchester Simmerath, es sang der MGV Kommern, und die Volkstanzgruppe Mechernich bot unter dem Maibaum längst vergessene Eifeler Bauerntänze dar. Die Kameras des Westdeutschen Fernsehens und der zahlreichen Fotografen fanden viele lohnende Objekte.

Heute erinnert den Besucher nichts mehr an diese beiden festlichen Tage. Dort, wo sich im Mai das Festzelt befand, entsteht zur Zeit eine vierseitige Hofanlage aus Brenig (Landkreis Bonn). Es ist bereits im Heimatkalender 1965 darauf hingewiesen worden, daß dieser Hoftypus sich seit etwa dem 17. Jahrhundert auch in unserem Heimatkreise ausbreitete und sich in der Praxis bewährte. Am Beispiel des Breniger Hofes können wir sehen, daß man im Laufe der Zeit auch ältere Hofformen zu solchen vierseitigen Hofanlagen umformte.


Brenig (Bonn-Land): Umwandlung der Hofanlage

Das älteste Gebäude dieses Hofes ist das Wohnhaus. Es wurde zweifellos noch vor 1600 erbaut und ist somit zugleich das bisher älteste Bauernhaus in unserem Museum. Leider verzeichnete keine Jahreszahl sein ursprüngliches Baujahr, doch werden wir hierüber durch eine dendrochronologische Untersuchung bald genaue Auskunft erhalten. Zu den eben erwähnten ungefähren Datierung gelangen wir durch mehrere bautechnische Merkmale:

  1. Das Haus ist nicht unterkellert (wie auch das datierte Haus aus Bonn-Kessenich aus dem Jahre 1616).

  2. Das Haus besitzt keine Streben, sondern bohlenartige Schräghölzer, die als „Schwertungen“ bezeichnet werden. Solche Schwertungen finden wir auch an den Firstsäulenscheunen aus Breidscheid und Langenscheid aus den Jahren 1580 bzw. 1586 (vgl. Heimatkalender 1967). Die Versteifung des Verbandes durch Schwertungen wurde in unserem Raume bis höchstens 1620 vorgenommen.

  3. Am Straßengiebel befindet sich ein vorgekragtes Ziergespärre mit Giebelpfahl, allgemein als „Schwebegiebel“ bezeichnet. Das Gespärre wird von Knaggen unterstützt, die das fürs 16. Jahrhundert charakteristische Profil mit zwei tiefen Kehlen besitzen. Im allgemeinen wurden diese gotisch anmutenden Knaggen um 1600 von reicher profilierten Hölzern abgelöst.

Alle dies Besonderheiten lassen darauf schließen, daß das Gebäude während der letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts errichtet wurde.

Die ehemalige Scheune wurde im Jahre 1785 durch einen Neubau ersetzt, der jedoch im Zuge der Entwicklung zur vierseitigen Hofanlage an einer anderen Stelle errichtet wurde. Durch einen Kuhstall wurde diese Scheune mit dem Wohnhaus verbunden. Die Stube wurde durch einen Anbau erweitert, außerdem wurden ein Pferdestall, ein Schweinestall, ein Backhaus und ein überdachtes Hoftor neu errichtet. So war der Hofplatz nunmehr nach allen vier Seiten durch Gebäude abgeschlossen.


Wohnhaus aus Altenburg (Westerwald) im Aufbau

Ein weiteres, interessantes Wohnhaus wurde in unserer Baugruppe „Westerwald - Mittelrhein“ wiederaufgebaut. Es stand früher in Altenburg/Westerwald. Auch bei diesem Bauwerk erkennen wir sofort, wie man im dortigen Raume die naturgebogenen Hölzer stets dekorativ auszunutzen versuchte. Wie alle Bauten am Dorfrande hat auch das Altenburger Haus zur Wetterseite hin ein tief abgeschlepptes Dach, wodurch im sogenannten „Niederlaß“ zwei zusätzliche Kammern entstanden. Die Stube ist auch hier wieder weitaus größer als in den Wohnhäusern der Eifel. Wir ersehen daraus erneut, daß im Westerwald der Stube eine größere Bedeutung im Sinne eines echten Wohnraumes zugemessen wird. Der Herdraum ist folglich nicht mehr der eigentliche Hauptaufenthaltsraum, sondern gleicht in stärkerem Maße unserem heutigen Begriff der Küche. Im übrigen befindet sich hier wieder unter der Stube ein Keller, und im Obergeschoß sind mehrere Schlafkammern abgeteilt.

Auch von diesem Hause ist das genaue Erstellungsjahr noch nicht bekannt. Ein Datierungsversuch auf Grund der vorhandenen Konstruktionsmerkmale kann bei diesem zweigeschossigen Bau leicht zu falschen Schlüssen führen. Auf den ersten Blick glauben wir nämlich, einen Stockwerksbau vor uns zu haben, d.h. die einzelnen Stockwerke scheinen jedes für sich selbständig abgezimmert und ohne verbindende Konstruktionsglieder gleichsam aufeinandergesetzt zu sein (wie etwa beim Haus Bilkheim aus dem Jahre 1687). Zu diesem Fehlschluß können wir gelangen, weil die Profilierungen der waagerechten Hölzer, z. B. der Saumschwellen, über die Ständer hinwegführen. In Wirklichkeit jedoch ziehen die Ständer ungeteilt von den Fundamenten bis zu den Rahmenbalken durch; wir haben also den älteren Konstruktionstyp des Ständerbaues vor uns. Dennoch ist das haus wahrscheinlich erst im frühen 18. Jahrhundert errichtet worden und man hat bei seiner Erbauung nur auf ältere Baugewohnheiten zurückgegriffen. Das Altenburger Haus ist somit in entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht ein zweifellos sehr interessantes Baudenkmal.

Während die Bauarbeiten in der Baugruppe „Westerwald - Mittelrhein“ fortgesetzt werden, soll 1968 auch mit der Errichtung eines dritten Museumsdorfes, der Baugruppe #“Niederrhein“, begonnen werden. Als erstes wird hier ein Wohnstallhaus aus Mönchengladbach wiederaufgebaut. Im Gegensatz zu unseren bisherigen Museumsbauten gehört dies Gebäude nicht zur sogenannten „Mitteldeutschen Bauweise“, sondern entspricht dem am Niederrhein üblichen Hallenhaustyp. - Gleichzeitig soll unsere erste Wassermühle, eine Sägemühle aus Niederweis, errichtet werden.


Ausstellungspavillon im Rheinischen Freilichtmuseum

Schließlich wird im Sommer 1968 unser Ausstellungspavillon zum ersten Male seine Türen öffneten. Hier sollen in Zukunft regelmäßige Wechselausstellungen ihren Platz finden. Die Eröffnungsausstellung wird die „Rheinische Volkskunst“ in ihrer mannigfaltigen Form zum Thema haben.

Bilder: Freilichtmuseum

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1968

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