Quelle: Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande

Sonderdruck aus Bonner Jahrbücher 190 - 1990


GUNTER AMTMANN - PETER SCHEMAINDA

Luftprospektion frühmittelalterlicher Gräberfelder in der Kölner Bucht


In den Jahren 1981-1983 wurden auf dem merowingerzeitlichen Reihengräberfeld bei Euskirchen-Kuchenheim drei Grabungskampagnen durchgeführt. Im Verlauf der jeweils zwei bis drei Monate andauernden Untersuchungen konnten ca. 200 Bestattungen vollständig ausgegraben werden. Die aus den verschiedenen Gräbern geborgenen Beigaben ließen erkennen, daß innerhalb des ergrabenen Areals seit der zweiten Hälfte des 6. bis in das frühe 8. Jahrhundert hinein bestattet worden war (Abb. 1). Während der Untersuchungen im Jahre 1982 wurde im südlichen Bereich der Grabungsflächen bereits eine Grenze des Gräberfeldes erfaßt.

Im Interesse einer effizienten Planung weiterer Grabungskampagnen wurde versucht, die Gesamtausdehnung des Gräberfeldes durch den Einsatz von Magnetometer und Luftprospektion zu ermitteln. Mit dem Protonenresonanzmagnetometer wurden insgesamt 2700 m2 nördlich der 1981/82 ergrabenen Fläche sondiert (Abb. 1) .Die Auswertung dieser Untersuchungen lieferte jedoch keine eindeutig interpretierbaren Befunde. Auch die Luftprospektion erbrachte 1982 keine Aufschlüsse über die weitere Ausdehnung des Gräberfeldes. Die für die archäologische Luftprospektion außerordentlich günstigen Witterungsverhältnisse des folgenden Jahres führten dann zu deutlich ausgeprägten Vegetationskontrasten, so daß bei einem Prospektionsflug im Juli 1983 die gesamte. Ausdehnung der Reihengräber westwärts der Grabungsflächen 1982/83 in einem heranreifenden Weizenfeld dokumentiert werden konnte. Wenige Wochen später wurde auch die gesamte östliche Fortsetzung des Gräberfeldes als positiver Vegetationskontrast in einer mit Zuckerrüben bestellten Ackerparzelle im Luftbild erfaßt 1.


1 Planskizze des fränkischen Reihengräberfeldes in Kuchenheim.


Die bei der Luftprospektion des Kuchenheimer Gräberfeldes gewonnenen Erfahrungen führten in der Folge zur Entdeckung weiterer Reihengräberfelder mit ähnlichen Merkmalausprägungen. So gelang noch im seIben Jahr die Entdeckung eines der archäologischen Forschung bisher unbekannten merowingerzeitlichen Reihengräberfeldes bei Klein Vernich (Kr. Euskirchen) in vermutlich vollständiger Ausdehnung (Abb. 2).


2 Reihengräberfeld Klein Vernich. Freigegeben Reg. Präs. Düsseldorf Nr. 51 V 312.


Die Auswertung der beiden Gräberfeldbefunde führte zu einem Prospektionskonzept mit der Zielsetzung, weitere Reihengräberfelder aus der Luft zu orten und zu dokumentieren und auf bereits bekannten detailliertere Befunde zu gewinnen. In den Jahren 1984/85 hatten diese Befliegungen keinen Erfolg. Erst unter den klimatisch günstigen Bedingungen der Jahre 1986/87 wurden fünf weitere, bisher unbekannte Reihengräberfelder entdeckt, von denen vier mit hoher Wahrscheinlichkeit als merowingerzeitlich angesprochen werden können (Irresheim, Kr. Euskirchen; Manheim, Erftkreis; Mülheim, Kr. Euskirchen; Vershoven, Rhein-Sieg-Kreis) (Tabelle 1) .

Als weiteres Ergebnis der archäologischen Luftprospektion gelang im Spätsommer des Jahres 1987 die Gesamtdokumentation des oben erwähnten, erst teilweise ergrabenen Reihengräberfeldes bei Kuchenheim (Abb. 3) .Da sich dieses über zwei Ackerparzellen erstreckt, wurde die Gesamtaufnahme nur dadurch möglich, daß in diesem Jahr erstmals seit 1982 beide Äcker mit derselben Feldfrucht bestellt worden waren (Zuckerrübe). Wie an den Bewuchskontrasten gut zu erkennen ist, erstreckt sich das Gräberfeld S-förmig von Nordwest über Ost (Grabungsbereich) nach Nordnordost. Die Informationen aus Grabungen und Luftbildern erlauben nun, die Zahl der Grabanlagen auf insgesamt ca. 700 zu schätzen.


3 Reihengräberfeld Kuchenheim. Freigegeben Reg. Präs. Düsseldorf Nr. 51 V 139.


Im verregneten Sommer des Jahres 1988 waren die Prospektionsmaßnahmen erfolglos. Die sehr guten Witterungsbedingungen des folgenden Jahres führten zur Entdekkung von weiteren sieben Reihengräberfeldern, die aufgrund ihrer Erscheinungsform vermutlich alle als merowingerzeitlich angesprochen werden können (Borr, Erftkreis; Enzen, Kr. Euskirchen; Gladbach, Kr. Düren; Hovenerhof, Kr. Euskirchen; Kessenich, Kr. Euskirchen; Millich, Kr. Heinsberg; Weidesheim, Kr. Euskirchen) (Abb. 4-5; Tabelle 1).

Besonders klare Befunde konnten auf dem Gräberfeld bei Borr (Erftkreis) dokumentiert werden (Abb. 4). In der Luftaufnahme zeichnen sich in einem schnittreifen Weizenfeld ca. 60 langrechteckige west-ost-orientierte Grabgruben in deutlicher Reihenlage als positive Bewuchs und Schattenmerkmale ab. In unmittelbarer Nähe zeigen sich zwei weitere archäologische Objekte, ein Kreisgraben mit Erdbrücke und die Ecke einer weitläufigen, trapezförmigen Grabeneinfriedung. Diese beiden Befunde zeigten im Beobachtungszeitraum der letzten zehn Jahre regelmäßig ausgeprägte Vegetationskontraste, während das Gräberfeld vorher nie in Erscheinung getreten war.


4 Reihengräberfeld Borr. Freigegeben Reg. Präs. Düsseldorf Nr. 51 B 31.


Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß Reihengräberfelder in der Regel schwache Vegetationskontraste verursachen. Im vorliegenden Fall wurde die Befliegung bei extrem tiefstehender Abendsonne durchgeführt. Nur der hierbei auftretende starke Schattenwurf des über den Grabgruben höhergewachsenen Getreides machte die Entdeckung dieses Reihengräberfeldes möglich. Hier wird noch einmal in besonderer Weise deutlich, daß für die Entdeckung von Reihengräberfeldern durch Luftprospektion das Zusammentreffen von optimalen Klima-, Vegetations und Beleuchtungsbedingungen notwendige Voraussetzung ist.


5 Reihengräberfeld Hovenerhof. Freigegeben Reg. Präs. Düsseldorf Nr. 51 B 27.


Der weitestgehend gleichartige formale Befund der aufgelisteten Gräberfelder (topographische Lage, Orientierung, Reihung und Größe der Grabgruben) wird als ausreichend erachtet, mindestens neun dieser Objekte als merowingerzeitlich einzustufen. Zur Datierungsproblematik ist allerdings anzumerken, daß ähnliche Merkmalausprägungen auch auf Bestattungsplätzen anderer Perioden vorkommen (spätrömische Gräberfelder; aufgelassene christliche und jüdische Friedhöfe).


TABELLE 1: Durch archäologische Luftprospektion dokumentierte merowingerzeitliche Gräberfelder

ORTSNAME

* KARTE TK25

ANZAHL/ ORIENTIERUNG der Gräber

ENTFERNUNG zum Ortskern

BORR
ENZEN GLADBACH HOVENERHOF IRRESHEIM KESSENICH KLEIN VERNICH KUCHENHEIM LICH
MANHEIM MILLICH
MÜLHEIM VERSHOVEN WEIDESHEIM

5206
5306
5205
5207
5306
5306
5206
5307
5004
5105
4903
5206
5307
5307

60
80
50
190
450
100
600
700
80
500
30
120
60
200

W-O
unklar
NNW-SSO
WSW-NNO
WNW-OSO
W-O
W-O
W-O
WSW-ONO
W-O
SW-NO
WNW-OSO
W-O
SW-NO

1000 m
450 m
290 m
180 m
400 m
500 m
200 m
500 m
280 m
500 m
120 m
350 m
140 m
250 m

* Aus Gründen des Objektschutzes (vor Raubgräbern) wurde auf die sonst übliche Angabe von Koordinaten verzichtet. Für Forschungszwecke können diese Daten bei den Verfassern erfragt werden.






Zu den vorrangigen Aufgaben der Archäologie der Merowingerzeit gehört die Erforschung frühmittelalterlicher Siedlungsstrukturen und Besiedlungsentwicklungen innerhalb ehemals römischer Provinzen. In der Kölner Bucht ist die merowingerzeitliche Siedlungsstruktur bislang allein aus der Verbreitung von Reihengräberfunden dieser Periode zu erfassen. Nur wenige zugehörige Siedlungsplätze sind bisher bekannt und in der Regel nur in Ausschnitten ergraben 2. Dieser Sachverhalt dürfte darin begründet sein, daß die merowingerzeitlichen Siedlungen vermutlich zum größten Teil im Bereich heute noch bestehender Ortschaften liegen und durch spätere mittelalterliche und neuzeitliche Überbauung weitgehend zerstört sein dürften. Die Chance, in unserem Raum doch noch Erkenntnisse über das Aussehen merowingerzeitlicher Siedlungsplätze zu gewinnen, besteht somit darin, Wüstungen aus dieser Zeit zu finden, Areale also, die nicht kontinuierlich vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit besiedelt wurden. Neben der weiteren Erfassung und Detailbeobachtung von Reihengräberfeldern wird dies ein wesentlicher Schwerpunkt des Luftprospektionsprogramms der kommenden Jahre sein .


Abbildungsnachweis

1 = Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege
2-5 = G. Amtmann


1 P. Schemainda in: Cuchenheim 1084-1984. Naturwissenschaftliche und historische Beiträge 2 (1984) 175; 177 ff.
2 z.B. Porz-Lind: W. Jannsen, Bonner Jahrb. 178, 1978, 427 ff.


Rheinisches Landesmuseum Bonn, 1990


Für Seiteneinsteiger: Untersuchungen zur Vorgeschichte Kreuzweingartens


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