Der Goldschatz von Enzen
Ein Fund aus der Völkerwanderungszeit

Von Waldemar Haberey

Um das Jahr 1664 n. Chr., also vor fast dreihundert Jahren, ist in Enzen ein Schatzfund aus Goldsachen zutage gekommen, der weder früher noch später an Reichtum und Wert von einem anderen in den Rheinlanden übertroffen worden ist. Es ist viel Geheimnis um ihn geblieben, das wohl nie gelüftet werden kann, weil uns sonderbarerweise keine zeitgenössische Nachricht irgendwelcher Art von diesem Fund und den Umständen, wie er zutage kam, erhalten blieb. Erst zweihundert Jahre später hat ein rheinischer Gelehrter und Altertumsfreund, der Bonner Gynasialoberlehrer E. Freudenberg, im Bonner Jahrbuch von 1857 festgehalten, was er noch von den Nachkommen der Augenzeugen und Betroffenen erfahren konnte. Er berichtet als Ergebnis seiner Erkundungen:

„Bald nach dem Abschluß des Westfälischen Friedens siedelte ein gewisser Johann Peter Gilles von der Ahr nach Enzen über und pachtete den damals sogenannten Bungart-Hof, welchen er später durch Kauf erwarb. Er hatte drei Töchter, und da er zu Wohlstand gelangte, baute er sich ein neues Haus, über dessen Tür der Name des Erbauers und die damals kaum noch lesbare Jahreszahl 1666 in Holz eingehauen waren. Daraus läßt sich die Zeit des Fundes mit einiger Sicherheit bestimmen. Gilles überließ das Haus seinem Schwiegersohn namens Wallpott, dem Gatten seiner jüngsten Tochter. Als bei diesem Neubau das Fundament zu einem Stall gelegt wurde, stieß der damit beschäftigte Knecht auf einen großen Steinsarg. Der Bauherr, welcher wohl einen verborgenen Schatz darin vermutete, macht sich im stillen mit einigen ins Vertrauen gezogenen Arbeitern selbst an die Hebung desselben. Der Sarg ist späterhin als Mischtrog für Viehfutter benutzt worden. Er war 8 rheinische Fuß lang und 3 ½ Fuß breit und tief. Nach Aufhebung des aus einer einzigen Sandsteinplatte bestehenden Deckels von einem Fuß Dicke befand sich das Gerippe, das beim Öffnen zu Staub zerfiel, in goldener Rüstung, eine goldene, mit drei Edelsteinen besetzte Krone auf dem Haupte, mit einem goldenen Szepter und einem 28 Pfund schweren goldenen Panzer mit goldenen Beinschienen. Außerdem enthielt der Sarg einen goldenen Schwertgriff, ein von Gold geflochtenes Wehrgehänge und angeblich 28 goldene Kettenringe sowie einige Münzen.

Kaum war der kostbare Schatz gehoben, so kam, wie die Überlieferung einstimmig berichtet, großes Leid und Unglück über das Haus des Finders. Mochte er vielleicht versäumt haben, von den Funden sofort der Behörde die schuldige Anzeige zu machen, oder mochte durch die beim Ausgraben anwesenden Knechte ein entstellter Bericht zur Öffentlichkeit gelangt sein, sowohl er als seine Ehefrau wurden verhaftet und auf vier Monate nach Jülich ins Gefängnis geführt; nach einer anderen Version soll die Haft sogar zwei ganze Jahre gedauert haben. Die Fundstücke, zu deren Auslieferung der Finder nach einem so formellen Verfahren, welches aber in der damaligen Praxis begründet gewesen sein mag, gezwungen wurde, kamen zunächst nach Mannheim, dem Sitz der kurpfälzischen Regierung, und sollen von dort weiter nach München oder nach Wien gewandert sein.“


Der Steinsarkophag auf dem Kirchhof in Enzen

Dieser Bericht beruht auf einer fast zweihundert Jahre überbrückenden mündlichen Überlieferung. Was uns wirklich von dem ganzen Fund geblieben ist, sind außer einem Steinsarg, der auf dem Friedhof von Enzen untergebracht wurde, zwei Schmuckstücke aus Gold.

Eines ist ein Band von geflochtenem Golddraht, dessen Enden in goldene Zwingen gefaßt sind. Diese tragen beide je die Hälfte einer lateinischen Inschrift: VTERE FELIX, d.h. „nutze es glücklich“. An einem Ende hängt eine kleine Kette, am anderen waren drei Schmuckanhänger befestigt. In der Mitte des Bandes sind rechts und links zwei Goldkettchen angebracht, die zur Befestigung dieses auf dem Scheitel getragenen Schmuckes dienten. Das zweite ist ein Ohr- oder Schläfenring aus Gold, der sicher paarweise getragen wurde und an dem noch das Sicherheitskettchen erhalten ist. Der Ring besteht aus gewundene Golddrähten, von denen einer quer gekerbt ist, was dem ganzen Schmuckstück Leben verleiht.

Diese beiden Goldsachen stammen aus einer spätrömischen Goldschmiedewerkstatt, wohl aus dem 4. oder auch Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. Sie passen nun gar nicht zu der vor hundert Jahren festgehaltenen Inhaltsangabe des Grabes, die mit Schwert, Panzer und Helm auf das Grab eines kriegerischen Fürsten schließen lassen. Die beiden erhaltenen Fundstücke dagegen stammen offensichtlich aus dem Besitz einer Dame oder eines Mädchens.

Das „Wehrgehänge“ des Berichtes von Freudenberg wird wohl das abgebildete Scheitelschmuckstück sein und der Ring eines der angeblich 28 Stücke. Was aber aus den anderen Beigaben, dem Diadem, den Waffen und Münzen geworden ist, ließ sich bis heute nicht ermitteln.

Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, von einem Leser weiteres über diesen geheimnisvollen Altertumsfund zu erfahren.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1962

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