Aus der Vor- und Frühgeschichte der Gemeinde Kreuzweingarten

Von Waldemar Haberey

Die Gemarkung von Kreuzweingarten legt sich quer über das Tal der Erft, dort wo dieses Flüßchen das Bergland der Eifel verläßt und in das flachere Land eintritt.

Dieser Landstrich verdankt seinen Reichtum an Bodendenkmalen aus der vor- und frühgeschichtlichen Zeit im wesentlichen seiner geographischen Lage: Die Alteburg, ein gewaltiger Ringwall auf der Hardt, das römische Straßendorf am „Kaiserstein“ zwischen Rheder und Billig, den Römerkanal, durch den das römische Köln mit Quellwasser aus der Eifel versorgt wurde und der als „Teufelsgraben“ in der Gemarkung die Erft überquert sowie die römische „Villa“ vor Jugendheim und Schule.


Fachwerkhaus Gebertz aus dem Jahre 1659 - Zeichnung aus dem Jahre 1893

Die Alteburg

Auf der Höhe gegenüber von Kreuzweingarten, hoch über dem rechten Ufer der Erft, liegt ein noch heute eindrucksvoller Befestigungsring aus vorgeschichtlicher Zeit, die Alte Burg. Dem Wanderer zeigt sie sich als ein hoher Erdwall, der am Rand der zum Erfttal vorspringenden Hochfläche entlang läuft und ein Oval von 300 m Länge und 175 m Breite umzieht. Wo der Steilabfall selbst schon ein Annäherungshindernis bildet, ist es ein einfacher Wall, nach der im Südosten anschließenden Hochfläche hin ist ein zweiter Schutzwall vorgelagert.

In diesen Wällen ist, unseren Augen verborgen, die ursprüngliche Konstruktion der Befestigungsanlage verschüttet, die im letzen Jahrhundert v. Chr. errichtet worden ist. Die im Jahr 1921 begonnenen und später fortgesetzten Ausgrabungen des Rheinischen Landesmuseums in Bonn ergaben sichere Unterlagen für deren Rekonstruktion: Der heutige Wall ist ursprünglich eine Mauer von 5.50 m Breite gewesen, deren Vorder- und Rückfront aus Bruchsteinen ohne Mörtel aufgeschichtet war. Diese parallel laufenden Trockenmauern waren durch kräftige Hölzer versteift und gehalten, welche eine Art Fachwerk aus senkrechten und waagerechten Balken bildeten. Dieses an beiden Seiten, also feindwärts und an der Innenseite, angebrachte Fach- und Stützwerk war mit quer durch die Mauer gelegten Ankerbalken gegenseitig fest verbunden. Der Raum zwischen diesen Schalmauern war mit Steinbrocken und Erde aufgefüllt und festgestampft.

Vor dieser mauer war ein tiefer Graben ausgehoben, der heute noch, obwohl er im Laufe vieler Jahrhunderte immer mehr eingeebnet worden ist, eindrucksvoll in Erscheinung tritt. Der von der Hochfläche, also von Südosten her, geführte Zugang ist an den die beiden Wälle unterbrechenden Torlücken zu erkennen. Die beiden Tore waren gegeneinander versetzt, eine Anordnung, welche einen Einbruch des Feindes durch die Tore erschweren mußte.

Bei der Untersuchung einer kleinen Fläche im Innern der Anlage konnten die Standpuren der Pfosten kleinerer Hütten oder Häuser nachgewiesen werden. Die dort gefundenen Scherben stammen aus der Spätlatènezeit, aus dem letzten Jahrhundert v. Chr.

Über das Schicksal der Alten Burg ist historisch nichts bekannt. Die Art der Anlage aber läßt erkennen, daß es sich um eine Fliehburg handelt, das heißt, es war ein befestigter Platz, de bei unmittelbarer Kriegsgefahr den Bewohnern des umliegenden Landes mitsamt ihrem Vieh Schutz bieten sollte. Von wem und gegen wen die „Alteburg“ erbaut worden ist, das zu klären wird die Aufgabe späterer Forschungen sein. Jedenfalls ist zu hoffen, daß sie für uns und unsere Nachkommen von Baggern, Planiergeräten und anderen „Hilfsmitteln unserer Zivilisation“ verschont bleibt.


Belgica vicus

Das Itinerarium provinciarium Antonini Augusti, ein Verzeichnis von Reisestrecken in den römischen Provinzen aus der zeit um 300 n. Chr. gibt die Längen einzelnen Reiseetappen an. Eine Station Belgica vicus war danach von Marcomago vicus, dem heutigen Marmagen, 8 gallische Leugen zu je 2,220 km = 17,8 km entfernt. Man hat daher den namen des Ortes Billig seit dem Jahr 1821 mit dem römischen Belgica gleichgesetzt, wenn auch die Entfernung in Wirklichkeit groß 23 km beträgt.

Die Flur „Am Kaiserstein“ zwischen Billig und Rheder war schon seit langem als Fundplatz römischer Altertümer wie Tonscherben, Ziegel, Mauerreste und andrem Bekannt, bis dann in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in größerem Ausmaß dort gegraben wurde. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist in einem seither oft veröffentlichten genauen Plan der aufgedeckten Grundmauern einer ganzen Reihe von Häusern festgehalten. Am „Kaiserstein“ kreuzen sich zwei Römerstraßen, die von Marmagen über Harzheim nach Metternich hinführende in nordöstlicher Richtung mit der von Zülpich westwärts am Bergrand entlang wahrscheinlich in Bonn endenden Querstraße. Man könnte vermuten, daß im Flurnamen „Kaiserstein“ die Erinnerung an einen dort aufgefundenen römischen Meilenstein, welche oft Kaisernamen trugen, wachgehalten wird.

Die in der am Kaiserstein aufgedeckten Siedlung von Hausfront zu Hausfront 13 m breite Südwest-Nordoststraße ist dort auf 350 m freigelegt worden, dazu eine im spitzen Winkel abgehende schmälere Straße. Zu beiden Seiten dieser Straßenzüge waren die erhaltenen Grundmauern Zeugen einer engen Bebauung dieses römischen Siedlungsplatzes. Der Planausschnitt und die Grundrißform der Bauten lassen deutlich erkennen, daß es sich nicht um die Innenbauten eines römischen Militärlagers handeln kann. Wir befinden uns damit viel eher im Vorplatz einer militärischen Anlage, dort wo sich Läden, Handwerksbetriebe, Wohnungen und was alles sich mit der Zeit um eine Garnison angesammelt, angesiedelt hatten. Die Funde vom Kaiserstein stammen in der Hauptsache aus dem 2. bis 4. Jahrhundert, ein Beweis für die lange Besiedlungsdauer dieses Raumes.

Es wird berichtet, daß in der Nähe, wo genau, ist nicht bekannt, eine ganze Anzahl von Waffenfunden gemacht wurden, wie Schwerter, Lanzen- und Pfeilspitzen und Teile der Soldatenausrüstung. Die Aufarbeitung der seither über viele Jahre besonders von Museumsleiter T. Hürten dort aufgesammelten Funde wird unser Wissen auch hier wesentlich erweitern können und Anhalt dafür geben, wo eine klärende Ausgrabung später anzusetzen hat.


Luftaufnahme von Kreuzweingarten (1962)


Der römische Gutshof an der Erft

Im Jahr 1839 stieß man bei den Erdarbeiten für die Fortführung der Chaussee vn Euskirchen nach Münstereifel am südlichen Ortsausgang von Weingarten, wie der Ort bis zum Jahr 1921 hieß, auf unterirdisches Gemäuer. Im ersten Findereifer legte man diese bald als Grundmauern eines größeren römischen Gebäudekomplexes erkannten Fundamente frei. Es waren fünf hintereinander liegende Räume verschiedener Form und Größe zu erkennen, die man auf etwa 30 m Länge ganz aufdecken konnte.

In einem dieser Räume kam ein farbig gemusterter Mosaikboden zutage, dessen kunstvolle Arbeit und leuchtende Farben Finder und zugezogene Fachleute bewogen, zu versuchen, die aufgedeckte Ruine weiter auszugraben, um sie dann als ein Denkmal aus römischer Zeit für die Nachwelt erhalten zu können. Das nur noch in Bruchstücken erhaltene Mosaik zeigte geometrische und Flechtwerkornamente, die Sechseckfelder mit figürlichen Darstellungen umrahmten. Eine dieser Figurenplatten war noch zur Hälfte erhalten, die eine nackte männliche Figur, vielleicht einen Gott oder wahrscheinlicher eine Figur aus der Sage oder den Spielen im Zirkus darstellt. In dem Raum mit dem Mosaikfußboden waren von den Wänden noch Reste des Aufgehenden erhalten, die mit vortrefflich polierten Marmorplatten von verschiedener Farbe bekleidet waren, wie es im Bericht heißt. „Die königl. Regierung in Cöln fragte damals in Berlin an, ob und wie die Erhaltung eines so bedeutenden antiquarischen Fundes möglich zu machen sei, erhielt aber als Antwort den gemessenen Befehl, sofort den Straßenbau, unbekümmert um die dadurch nothwendig zu zerstörenden Mauerreste fortzuführen, so daß nichts übrig blieb, als nach Aushebung der Mosaikreste, den Fund teilweise zu zerstören und im Ganzen durch die Straße zu verdecken.“


Das im Jahr 1851 ausgegrabene Fußbodenmosaik aus schwarzen, weißen und wenigen roten Steinen. 2. Jahrhundert n. Chr. Heutiger Standort: Rheinisches Landesmuseum Bonn.

Im Herbst des Jahres 1851 ging man daran, neben der Landstraße, auf die Erft zu, das Bauwerk in seiner ganzen Ausdehnung auszugraben. Dafür gaben die in trockenen Jahren beobachteten Streifen mit kümmerlichem Pflanzenwuchs besonderen Anreiz. Man vermutete nämlich unter diesen Streifen und Flächen, in denen die Pflanzen in ihrem Wachstum gehemmt waren, Mauern und Fußböden aus römischer Zeit, was dann die Ausgrabungen voll bestätigten.

Der dabei gewonnene Grundriß nimmt eine über 2000 m² große Grundfläche ein. Er gehört einem provinzialrömischen Bautyp an, den man gerne als römische Villa bezeichnet. Im Laufe seines Bestehens ist der Bau oft verändert, zum Teil auch erweitert worden. Der Eingang lag in der Mitte der Nordseite, deren Ecken turmartige Vorsprünge bildeten, zwischen denen eine 40 m lange Veranda sich erstreckte. Im rückwärtigen, wahrscheinlich erst später angebauten Teil, lag außerdem ein 21 mal 27 m großer Hofraum, der an allen vier Seiten umbaut gewesen ist.

Obwohl noch ein zweiter Raum mit Mosaik ausgelegt war, und mehrere Zimmer, die zum Teil als Baderäume gedient hatten, mit einer Unterflurheizung versehen waren, ist dieses römische Landhaus keine Villa im modernen Sinne gewesen.

Wie nämlich spätere Untersuchungen an ähnlichen Bauten erwiesen haben, sind sie als Hauptbauten größerer Wirtschaftsunternehmen anzusehen, deren Schwergewicht zwar meist in der Landwirtschaft lag, die aber immer den örtlichen Verhältnissen entsprechend Wald- und Bodenschätze geschickt genutzt haben. Hier in Weingarten dürfte Kalk gebrannt worden sein, was allerdings erst in der Arloffer Gemarkung durch eine Anzahl römischer Kalköfen wirklich nachweisbar geworden ist. Auf dem weiter südlich gelegenen Münsterberg sind in den letzten Jahren beim Sandabbau Aschenschichten beobachtet worden, die Metallschlacken enthielten. Dieser Befund läßt an Metallgewinnung denken.

Kurzum, diese „Villa“ gehörte zu einem nicht unbedeutenden Gewerbebetrieb, von dem wir allerdings im einzelnen nicht allzuviel wissen, den man aber etwa mit einem größeren Farmbetrieb unserer Zeit vergleichen könnte. Solche Farmen, wie die von Weingarten, waren nicht dorfartig zusammengeschlossen, sondern sie lagen, wie heute die großen Einzelhöfe, in dem ihnen zugehörigen Bezirk. Es ist dies eine Siedlungsart, die heute mit der Aussiedlung wieder angestrebt wird. Zu dem Haupthaus gehörten Wirtschaftsgebäude verschiedener Art wie Ställe, Scheunen, Geräteschuppen und Werkstätten. Ein kleiner unterirdischer gemauerter Kanal versorgte das Anwesen mit Wasser, das aber nicht der großen Eifelwasserleitung entnommen worden ist. Eine in der Nähe liegende Quelle war dafür gefaßt worden.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1964

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