Aus der Vor- und Frühgeschichte der Nordeifel

Von Studienrat Prof. Karl Hürten, Münstereifel




Die Spuren des Menschen lassen sich in der Nordeifel bis in die Urzeit verfolgen. Wo Geschichte und Überlieferung versagen, bringen gelegentliche Funde von Gebrauchsgegenständen aus dem Boden vorzeitlicher Wohnstätten unverhoffte und zuverlässige Kunde. Roh und künstlich bearbeitete, nicht verwitterte Feuersteine, oder im kalkboden vor Vermoderung geschützte, zerschlagene Tierknochen sind zuverlässige Zeugen von menschlichen Dasein und bewußter Tätigkeit des Urmenschen. In der Kakushöhle bei Eiserfey hat die Kölner Anthropologische Gesellschaft in den Jahren 1911-13 eine Unmenge solcher Zeugnisse zutage gefördert. Dort liegen zwei Grotten übereinander. Der Boden der großen unteren Grotte barg in sieben verschiedenen Erdschichten Einschlüsse, die von der Jetztzeit bis zur Urzeit reichten. Unter einer mäßigen Oberschicht mit Gegenständen der Neuzeit und des Mittelalters kam eine dunkelgefärbte stärkere Schicht zum Vorschein, die Topfreste, Münzen und andere Kleinfunde aus der Römerzeit enthielt. Unter dieser lag eine schwarze Schicht, in der man eine aus vorrömischer Zeit stammende, sogenannte La-Tène-Fibel (Spange aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.) fand. Noch tiefer lagerte eine braune Schicht mit Knochen kleiner Nagetiere und darunter eine solche mit zerschlagenen Knochen von Renntier, Moschusochsen, Wildpferd, Hirsch und Biber. Diese Schicht gehört der jüngeren Steinzeit an, während die noch tiefer liegenden der älteren Steinzeit entstammen; sie enthielten ganz schwarz gefärbte Knochen und eine von Asche und Holzkohlen gebildete Feuerstelle, auf der ein bearbeiteter Faustkeil aus Feuerstein lag. In der Nähe dieser Stelle waren fingerlange Eckzähne des Höhlenbären, aufgeschlagene Tierknochen und zahlreiche Feuersteinsplitter verstreut. Im Boden der oberen Grotte konnte man neun verschiedene Erdschichten unterscheiden, und von diesen lieferte eine mehrere hundert Feuersteine und Quarzstücke, die spitz und scharf bearbeitet waren und als Bohrer, Schaber und Messer gedeutet werden können. Die daselbst in großen Mengen gefundenen Knochen vom Mammut und wollhaarigen Nashorn, vom Wildpferd, Riesenhirsch, Renntier, Bison, Höhlenbären und Höhlenhyäne bekunden, welch schweren Kampf der Urmensch mit seinen unvollkommenen Waffen geführt und bestanden hat. Die Fundstücke sind im Anthropologischen Museum des Bayenturms in Köln ausgestellt; eine Sammlung befindet sich im hiesigen Ortsmuseum.

Die in der Kakushöhle entdeckten Waffen und Beutestücke des Urmenschen sind durchaus keine vereinzelte Erscheinung. Ähnliche Funde, jedoch nicht so zahlreich, hat man im Buchenloch bei Gerolstein gemacht. In verschiedenen Höhlen, namentlich in Frankreich, Süd-Deutschland und Österreich sind neben Steinwerkzeugen und den Knochen der erbeuteten Tiere auch Reste des Menschen selbst gefunden worden. Bekannt ist die im Provinzialmuseum in Bonn aufbewahrte Schädeldecke aus dem Neandertal, die bei sehr starken Augenwülsten ein überaus flaches Stirnbein zeigt. Einen vielleicht ebenso wichtigen, aber leider nicht erhaltenen Fund machte ein Arbeiter in unserer Gegend, nämlich im Dorfe Esch bei Euskirchen vor etwa 15 Jahren; er stieß beim Abtragen von Mergelboden in seinem Garten auf zwei in Erdmulden ruhende Skelette, deren Schädel leider bald darauf von Kindern zertrümmert worden sind. Eine Schädeldecke blieb ganz und wurde von dem Universitätsprofessor Dr. Pohlig in Bonn, dem Verfasser [fehlender Text im Originaltext] sie sandte, aber nicht mehr zurückerhielt, als dem Neandertaler ähnlich bezeichnet.




Bärenzahn und Bärenkralle aus der Kakushöhle bei Dreimühlen - Digitalfoto Wingarden.de, Sammlung Walram Schmitz, Bad Münstereifel




Der Mensch der älteren Steinzeit lebte nur von der Jagd und dem Fischfang; das zeigen seine Stein-Waffen in Form vn Äxten und Beilen und manche Geräte aus Knochen, Horn und Elfenbein, wie Angelhaken, Nadeln und Pfriemen. Metalle und Tongefäße waren ihm fremd. Nur vermöge seiner geistigen Fähigkeiten konnte er den Kampf mit den gewaltigen Tieren der Urzeit bestehen. Den harten Feuerstein muße er manchmal weit herholen. Für die Bewohner der Kakushöhle war die nächste Fundstelle das hohe Venn. Wie allgemein die Jagd in unserer Gegend mit Feuersteinwaffen ausgeübt worden ist, mag man daraus entnehmen, daß der Professor de Geologie Dr. Krause von der Berliner Universität bei seinen Untersuchungen der Gesteinsarten in hiesiger Gegend zum Zweck des beabsichtigten Bahnbaues nach Losheim sowohl auf mehreren Höhen des Iversheimer Waldes als auch auf dem Runich bei Eicherscheid Feuersteine fand, die jetzt im Bonner Provinzialmuseum aufbewahrt werden.

Die Werkzeuge der jüngeren Steinzeit zeichnen sich durch feine Bearbeitung aus. Die harten Steine sind fein geschliffen, geschärft und geglättet, sie zeigen regelmäßige Formen und sind meist durchbohrt. Daneben finden sich Scherben von hartgebrannten, aber noch nicht auf der Drehscheibe hergestellten Tongefäßen, sowie Mahlsteine zum Zerreiben des Getreides. Auch Spinnwirtel und Websteine zum Spannen der Fäden waren im Gebrauche und sind vereinzelt beim Forsthaus Hülloch im Flamersheimer Walde gefunden worden. Aus alledem geht hervor, daß der Mensch der jüngeren Steinzeit auf einer höheren Kulturstufe stand und neben der Jagd Ackerbau und Viehzucht betrieb. Ein fingerlanges Stück einer Steinnadel mit durchbohrter Öse, die zum Zusammennähen von grobem Tuch oder Fellen gedient haben kann, wurde vor nicht vielen Jahren von einem Student aus Karlsruhe am Rande des Steinbruchs gegenüber der Heistartburg bei Holzheim gefunden und dem hiesigen Museum geschenkt. Stellenweise hat sich der Mensch im Steinzeitalter auch künstlerisch betätigt. Auf Knochen und an den Wänden einzelner Höhlen hat man in Spanien und Frankreich Tierzeichnungen entdeckt, die eine hohe Beobachtungsgabe verraten. Bison, Mammut, Moschusochs, Wildpferd und Renntier sind mit wenigen Strichen gut erkennbar dargestellt. Auf mehreren Bildern sind Pfeile angebracht, die anzudeuten scheinen, an welchen Stellen die Tiere bei der Jagd mit Lanzen getroffen wurden. Die Vertreter der jüngeren Steinzeit haben nicht ausschließlich Höhlen bewohnt. Das beweisen die Pfahlbauten an vielen Seen, dafür hat auch unsere Gegend ein Beispiel geliefert. Das Bonner Provinzialmusuem entdeckte bei Ausgrabungen im Dorfe Miel bei Rheinbach vor wenigen Jahren einen der jüngeren Steinzeit angehörenden Pfahlbau, der innerhalb eines von palisaden eingefriedigten Raumes gestanden und zu dem ein größeres Wohnhaus mit Nebengebäuden gehört hat.

Eine wichtige und naheliegende, aber nicht leicht zu beantwortende Frage betrifft den Beginn und die Dauer der Steinzeit. Es ist schwierig, Anhaltspunkte und einen geeigneten Maßstab für die Beantwortung dieser Frage zu finden. Daß die Zeit lange zurückliegt, kann man an einer steinzeitlichen Wohngrube in Metternich bei Koblenz erkennen, die unter einer mehrere Meter dicken, aus Sand und Lehm bestehenden Lößschicht begraben lag, während eine andere Wohngrube am Martinsberg bei Andernach von einer starken Bimssandschicht bedeckt war, so daß die Bewohner der Grube noch Zeugen der Vulkanausbrüche im Gebiete des Laacher Sees gewesen sein müssen. Der französische Gelehrte Boucher hat auf Grund sorgfältiger Untersuchungen der Erdschichten zuerst auf die Tatsache hingewiesen, daß der Urmensch vor und während der Eiszeit, also zu jener Zeit gelebt hat, da die ganze norddeutsche Tiefebene von den Gletschern Skandinaviens bedeckt war und die Alpengletscher bis in die Gegend von München und bis Oberitalien reichten. Nach Beobachtungen, die Albert Heim in der Schweiz angestellt hat und die von amerikanischen Geologen bestätigt worden sind, ist seit der Eiszeit mindestens ein Zeitraum von 10.000 Jahren verflossen. Der schwedische Forscher De Geer berechnete aus den Schichtungen des Bändertons in den Seen Skandinaviens die Dauer der Eiszeit auf 12.000 Jahre. Obwohl diese Zahlen gewaltig groß erscheinen, glauben doch neuere Forscher bedeutend längere Zeiten, ja selbst Hunderttausende von Jahren für die Vergletscherung Europas annehmen zu müssen.

Die Theorien über die Ursachen der Eiszeit sind außerordentlich zahlreich und mannigfaltig und demnach auch die Ansichten über die Dauer sehr schwankend. Die meisten Erklärungsversuche gehen nur darauf aus, die Eisbildung oder Temperaturerniedrigung zu begründen. Der Mangel an Wärme konnte aber allein unmöglich die gewaltigen Wirkungen hervorbringen, die die Eiszeit im Gefolge hatte. Eine starre Vereisung vermochte weder die Gletscher in Bewegung zu setzen, noch die gewaltigen Flußbette und die vielen kleinen und großen Seen zu bilden. Ebenso wenig war ein einmaliges und allmähliches Abschmelzen imstande, die harten Granitsteine zu schleifen und abzurunden und die ganze norddeutsche Tiefebene mit Sand- und Schottermassen zu füllen oder die Staubmengen zu erzeugen, die vom Winde aufgewirbelt, in mächtigen Lagern viele Höhenzüge bedeckten. Dabei ist des Pflanzenwachstums noch gar nicht gedacht, geschweige der Lebensbedingungen der Tiere und des Menschen. Das Dasein der oben erwähnten großen Säugetiere setzt üppige Weide und das Wachstum der Pflanzen wenigstens zeitweise einen höheren Wärmegrad voraus. Auch die genannten geologischen Veränderungen können nur durch steten Wechsel zwischen Wärme und Kälte, entstanden sein. Unseres Erachtens bedarf es gar nicht weit hergeholter Theorien, um die verschiedenen Erscheinungen zu begründen, da wechselnde Jahreszeiten den Bedingungen vollkommen genügen, wofern der Winter länger und kälter, der Sommer aber kürzer und wärmer war als heute.




Mit wenigen Worten sei auf einen astronomischen Vorgang hingewiesen, der sowohl die Entstehung der Eiszeit als auch ihren zeitlichen Verlauf aus einem einfachen Grunde zu erklären vermag. Bekanntlich bewegt sich die Erde in elliptischer Bahn um die Sonne. Weil ihre Achse gegen die Bahn eine Neigung von 66 ½ Grad hat, ist bald der Nordpol, bald der Südpol gegen die Sonne gewendet, und die Folge ist der Wechsel zwischen Sommer und Winter. Da die Sonne nicht im Mittelpunkte, sondern im Brennpunkte der eiförmigen Erdbahn steht, so befindet sich die Erde im Laufe des Jahres bald näher bei der Sonne, bald ist sie weiter entfernt. Gegenwärtig steht die Erde zur Winterzeit in Sonnennähe und im Sommer in Sonnenferne. Die Folge ist natürlich, daß der Winter wärmer und der Sommer kühler ist, als wenn wir Sommer in Sonnennähe und Winter in Sonnenferne hätten. Nun weiß man, daß die Erdachse eine Kreiselbewegung macht, die sich im Vorrücken des Frühlingspunktes auf der Erdbahn äußert. Diese Kreiselbewegung macht in der Zeit von etwa 26.000 Jahren einen ganzen Umlauf, sodaß vor 13.000 Jahren die Erdachse so gestellt war, daß die nördliche Erdhälfte in der Sonnennähe Sommer und in der Sonnenferne Winter hatte. Da ferner die Erde sich in der Sonnenähe schneller bewegt, als in der Sonnenferne so ist gegenwärtig der Winter acht Tage kürzer als der Sommer, was vor 13.000 Jahren gerade umgekehrt war. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die Stärke der Veränderung zahlenmäßig nachzuweisen und die weiteren Folgerungen zu ziehen, die geeignet sind, noch eine Reihe von schwebenden Fragen unzweideutig zu beantworten. Wir stellen nur kurz fest, daß nach diesem Erklärungsversuch die Eiszeit etwa 13.000 Jahre gedauert hat, vor rund 19.500 Jahren begonnen und vor rund 6.500 Jahren geendet haben muß, was allerdings so zu verstehen ist, daß sich an den Beginn und das Ende mildere Übergangszeiten anschlossen.

Die Steinzeit war durch die Eiszeit weder zeitlich noch ursächlich bedingt oder an deren Dauer gebunden. Man nimmt an, daß das Steinzeitalter um das Jahr 2.000 v. Chr. durch die Bronzezeit abgelöst wurde. In diesem Zeitalter verfertigte man Waffen, Geräte und Schmuckgegenstände aus Bronze, das war eine Mischung aus Kupfer und Zinn mit etwas Zusatz von Zink und Blei. Bleierz haben Menschen jener Zeit in hiesiger Gegend gegraben; denn in einem alten Gange des Steinbruchs gegenüber der Heistartburg bei Holzheim sind Werkzeuge aus Bronze gefunden worden. Wie lange der Bergbau an dieser Stelle betrieben wurde, ist nicht bekannt, doch bewahren noch einige Flurnamen die Erinnerung an die Erzbereitung mit den Bezeichnungen: „An der Wäsche“ und „Im Blasebalg“. In der Eifel und am Rhein ist die Bronzekultur verhältnismäßig spärlich vertreten, im Süden und Südosten Europas gelangte sie zu hoher Blüte.

Neben de Bronze wurde um das Jahr 1000 v. Chr. auch Eisen verarbeitet. Man unterscheidet von da ab eine ältere Eisenzeit von 1000 - 400 v. Chr. und eine jüngere von 400 bis zur Römerzeit. In diesem tausendjährigen Abschnitte unterscheiden die Altertumsforscher vier verschiedene Entwicklungsstufen, die auf Völkerverschiebungen und Völkervermischungen zurückzuführen sind. Die unterscheidenden Merkmale beruhen auf der Wohnweise, der Tracht und Bewaffnung, vor allem aber auf der Art der Totenbestattung. Die Leichen wurden im Anfange dieses Zeitraumes auf einem Scheiterhaufen verbrannt, die Asche in Urnen aus Ton gesammelt und diese mit tönernen Schüsseln und Tellern in einem großen Tonfasse geborgen und in der Erde vergraben. Gräberfelder dieser Art sind in Euskirchen und Zülpich festgestellt worden. Das friedliche Dasein der Ackerbau treibenden Bevölkerung der älteren Eisenzeit wurde durch ein von Westen her einbrechendes Volk gestört, die als Jäger, Hirten und Viehzüchter die Hochflächen und bewaldeten Höhen der Eifel besiedelten. Sie verbrannten die Leichen nicht, sondern begruben sie in der Erde und umstellten die Gräber mit Steinen oder errichteten darüber Grabhügel. Als Beigabe verwandten sie nur wenig Eisen, dagegen reichen Bronzeschmuck.




Das herrschende Volk der jüngeren Steinzeit waren die Kelten. Sie eroberten seit dem 5. Jahrhundert die Eifel und drangen bis zum Rheine vor. Die frühere Leichenbestattung hielten sie bei, doch machten sie die Grabhügel höher, als es bis dahin üblich war. Die Gräberfelder sind auch dichter belegt, was auf wachsende Bevölkerung und zunehmenden Wohlstand schließen läßt. In Zeiten der Gefahr verschanzten sich die Kelten in Ringwällen ,die sie auf Bergkuppen anzulegen pflegten. Solche Fluchtburgen sind in der Eifel nicht selten; eine findet sich auf dem Burgberge bei Weingarten und ist vor einigen Jahren vom Bonner Provinzialmuseum untersucht worden. Die Anlage entsprach ganz der von Caesar gegebenen Beschreibung. Die vorspringende Bergkuppe war von einer 4-5 m dicken, hohen Trockenmauer umgeben, deren Erd- und Steinmassen durch Balkenwerk gestützt und verstrebt waren. Rund um die Mauer lief ein tiefer Spitzgraben. Der Zugang war an der Bergseite und hatte doppelten Mauer- und Grabenschutz. Die Tore waren so angelegt, daß der durchs Außentor vordringende Feind auf dem Wege zum abseits liegenden Innentor dem Verteidiger die vom Schilde nicht gedeckte rechte Seite bieten mußte. Die Fliehburg war so groß, daß sie die Bevölkerung eines größeren Umkreises mit ihrem Vieh und sonstiger Habe aufnehmen konnte. Holzkohlen in verschütteten Gräben und verkohlte Balken im Innern des niedrigen Walles ließen erkennen, daß die Mauer durch Brand zerstört worden ist.

Die keltische Kultur der Eifel zeigte seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. fremde Beimischung. Neben der Bestattung wurde Leichenverbrennung üblich. Tongefäße und Waffen zeigen andere Gestalt. Die neue Kultur stammte von Germanen, die scharenweise den Rhein überschritten und sich mit den Kelten vermischten. Die Nachricht alter Schriftsteller, daß die Treverer, die den größten Teil der Eifel bewohnten, ein Mischvolk von Kelten und Germanen seien, wird also durch die Bodenfunde bestätigt. (nähere Angaben s. Hagen: Aus der Vorzeit der Eifel, Eifelheimatbuch S. 131.)

Mit der Eroberung des Rheinlandes durch die Römer um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. beginnt die geschichtliche Zeit. Am Nordrande und im nördlichen Vorlande der Eifel waren nach Caesars Angaben die Eburonen ansässig, ein tapferer Volksstamm, der einzelne Gehöfte bewohnte und nur einen befestigten Platz, das castellum Aduatuca, besaß. Als dort i. J. 54 v. Chr. eine römische Legion und 5 Kohorten das Winterlager bezogen hatten, lockten die Eburonen unter ihrem Fürsten Ambiorix und Catuvolcus die Römer aus dem Lager und machten sie alle nieder. Ihren Freiheitsdrang mußten die Eburonen schwer büßen. Sie wurden im folgenden Jahre von der römischen Reiterei unerwartet überfallen. Ambiorix rettete sich durch Flucht, Catuvolcus aber vermochte wegen seines Alters nicht zu fliehen und zog den Tod der Gefangennahme vor, indem er sich mit dem Saft der Eibe vergiftete. Zweitausend Sigambrer eilten beutegierig von der anderen Rheinseite herbei und beteiligten sich am Raube und den Verheerungen. Doch nicht genug damit, erschien i. J. 51 Caesar selbst, um das Rachewerk durch Mord und Brand zu vollenden. In das verwüstete Gebiet nahmen die Römer i. J. 38 v. Chr. die germanischen Ubier auf, die bis dahin die rechte Rheinseite zwischen Wied und Wupper bewohnt hatten. Nach einer Bemerkung des Schriftstellers Strabo schienen die geflüchteten Eburonen bei den Atrebaten Zuflucht gefunden haben, die i. J. 20 n. Chr. westlich von den Treverern wohnten.

Das Ubierland dehnte sich im Laufe der Zeit linksrheinisch vom Vinxtbache oberhalb Niederbreisig bis unterhalb Gellep (Gelduba) aus. Auch entstanden größere Niederlassungen, wie Köln (Colonia Ubiorum), Jülich (Juliacum), Zülpich (Tolbiacum). In unserem Gebiete blieben nach der Einwanderung der Ubier Religion und Sprache, Sitten und Gebräuche, sowie Kleidung und Bewaffnung noch zum Teil keltisch. Dagegen machte sich im Wohnbau der römische Einfluß in immer stärkerem Maße geltend. An die Stelle der einheimischen Holz- und Fachwerkbauten trat vielfach römischer Steinbau, an die Stelle des Schiefer- und Schindeldaches die römische Ziegelbedachung und an die Stelle des Holzfeuers und tragbarer Kohlenbecken die römische Fußboden- und Wandheizung. Die vornehmen Eingeborenen erbauten sich nach römischen Vorbilde großartige Landhäuser und Gutshöfe mit prächtigen Mosaikböden, weiten Säulenhallen und herrlichen Badeanlagen, deren Reste an verschiedenen Stellen der Eifel unser Staunen erregen. Ein schöner Mosaikboden von einer großen Römervilla in Weingarten befindet sich im Bonner Provinzialmuseum, weitläufige Badeanlagen sind bei Blankenheim aufgedeckt und neuerdings kamen römische Säulen beim sogenannten Römerlager in der Nähe des Forsthauses Steinbach im Flamersheimer Walde zum Vorschein.

Unter römischem Einfluß machte auch die Kultur der Eifelbewohner bedeutende Fortschritte. Dies bekunden vor allem die Tempelanlagen, in denen die keltisch-germanische Bevölkerung ihre Familien, Orts- und Stammesgottheiten verehrten. Das schönste Beispiel dieser Art ist auf dem Addig im Nöthener Walde beim Dorfe Pesch zu sehen. Durch sachgemäße Ausgrabungen wurden vor 12 Jahren die Grundmauern von vier in einer Flucht liegenden Gebäuden aufgedeckt und viele Bruchstücke von Weihesteinen gefunden. Eines der Gebäude war von einer Säulenhalle umgeben und hat wahrscheinlich ein großes Kultbilds enthalten. Der zweite Raum diente zum Aufbewahren der geweihten Denkmäler, der dritte enthielt zwei Reihen von Rundsäulen. Der an eine dreischiffige Kirche erinnernde Bau wird als Gerichtshalle gedeutet, während das vierte Gebäude vermutlich zu Wohnzwecken bestimmt war. Bildwerke auf sogenannten Weihaltären und in lateinischer Sprache abgefaßte Inschriften geben einen Aufschluß über die Bedeutung der Kultstätte. Würdige, in faltenreiche Gewänder gekleidete Matronen, zum Teil mit turbanartigem Kopfputz, sind zu dreien auf einer Bank sitzend, mit Fruchtkörbchen auf dem Schoß, dargestellt. Die Inschriften nenne sie Matronae Vaccalinchae und lassen erkennen, daß die ehrwürdigen Mütter als Ortsbeschützerinnen verehrt wurden. Die ganze Anlage war durch eine Wandelhalle eingefriedigt, in deren Mitte sich ein tiefer, noch vorhandener Brunnen befand. Aus Münzfunden geht hervor, daß die Weihestätte vom zweiten bis vierten Jahrhundert v. Chr. bestanden hat. Ein Modell des Säulentempels, zwei Abgüsse von Weihesteinen und eine Anzahl Fundstücke aus dem Tempel befinden sich im hiesigen Ortsmuseum. Ein viel kleinerer Heidentempel lag auf der Görresburg bei Nettersheim und war den Aufanischen Matronen geweiht.

Wie die einheimischen Bewohner, so haben auch die Römer selbst manche Beweise ihrer hochentwickelten Kultur hinterlassen. Dahin gehören die trefflichen Heerstraßen, die auf dem Wege von Trier nach Köln und Bonn unser Gebiet durchzogen und noch heute als Römerstraßen bekannt sind. Standorte mit Herbergen, Geschäftshäusern und Gelegenheit zum Pferdewechsel waren auf diesem Wege die Marktflecken Bitburg (Beda), Oos (Auosava), Jünkerath (Icorigium), sowie Marmagen (Marcomagnus) und Billig (Belgica) in unserer Gegend. Die zur letzten Station gehörige Siedlung lag in der Flur „Am Kaiserstein“, etwas vom heutigen Dorfe entfernt.

Eines der großartigsten Bauwerke der Römer war die unter dem Namen „Römerkanal“ bekannte Wasserleitung, die dazu diente, das Römerlagen und die spätere Ubierstadt Köln mit gutem Trinkwasser zu versorgen. Auf dem langen Wege von mehr als 75 km führte der Kanal das Quellwasser des Grünen Pützes und der Sieben Sprünge aus dem Urfttal und das des Hausener Baches aus dem Feytal unterirdisch in gewundenem Lauf über Berg und Tal und doch mit gleichem Gefälle in eine noch unterm Kölner Dom vorhandene Cisterne, um von dort durch Nebenkanäle verteilt zu werden. Bei Weingarten ist der Kanal wegen des marmorartigen Sinterniederschlages streckenweise ausgebrochen und an mehreren Stellen offengelegt. Hier wie auch in Hombusch bei Burgfey und an der von Breitenbenden nach Holzheim führenden Fahrstraße ist die Bauart des Kanals gut zu sehen. (Eingehendere Beschreibung siehe Eifelvereinsblatt, Jahrg. 1910, und Eifelheimatbuch S. 143.)




Den zum Bau des Römerkanals benötigten Kalk haben wahrscheinlich Kalköfen in Kalkar und Iversheim geliefert. Die letzten Reste des am Berghang zwischen Iversheim und Arloff stehenden Kalkofens wurden beim Bahnbau beseitigt. Im Sommer 1838 fand man beim Erweitern der Landstraße im Kalkschutt einen jetzt im Provinzialmusuems aufbewahrten Stein, der wahrscheinlich eine Flügel des Türgesperres war und die von Prof. Lersch ergänzte Inschrift besaß: Su Julio Castino legato legionis primae Minerviae, cura Petroni Aquilae, centurionis, furnus factus arvalis diligente Augusto consule.
„Unter Julius Castinus, dem Legaten der ersten Minervischen Legion, ist unter Aufsicht des Centurionen Petronius Aquila der Feldofen unter dem gewissenhaften Konsul Augustus errichtet worden.“

Lersch nimmt an, der genannte Augustus sei i. J. 222 n. Chr. Konsul gewesen. (K II § 765; Bärsch III, 1, 1. S. 345.) Römische Ziegeleien befanden sich im Bouderather Walde und, wie sich jüngst gezeigt hat, in der Lehmkaul im Dorfe Eicherscheid. Spuren von Ansiedlungen aus der Römerzeit sind allenthalben in der Eifel vorhanden und werden vom Pfluge des Ackerers häufig zutage gefördert. In den Feldfluren von Iversheim, Arloff und Kirspenich, Nöthen, Pesch und Harzheim, sowie in der Umgebung des Michelsberges sind viele solcher Stellen bekannt. In Münstereifel selbst wurden im Wiesenschen Garten am Johannistor beim Ausschachten römische Kupfermünzen und neuerdings beim Bau der neuen Häuser in der Otterbach römische Topfscherben gefunden. Auf einem aus der Mauer des alten Klosters stammenden Steine fand sich die Inschrift:

CORNICEN AN XXXVI STIP XVIII COLLEGAE HAEREDES POSVERVNT.
„Ein Hornist von 36 Jahren, ein Söldner von 18 haben dem Genossen als Erben (den Stein) gesetzt.“

Ein anderer Weihestein eines römischen Soldaten ist bei Ausbesserungsarbeiten der Erftmauer zum Vorschein gekommen und befindet sich im Ortsmuseum.

Vierhundert Jahre haben die Römer ihre Herrschaft am Rhein behauptet und dem Andrang der germanischen Stämme standgehalten. Wiederholt rückten Franken vom Niederrhein vor und zerstörten die römischen Kastelle, Um die Mitte des 4. Jahrhunderts überschwemmten sie zugleich mit den von Süden her eingedrungenen Alemannen das ganze linke Rheinufer und plünderten viele römische Städte, unter andern Köln in den Jahren 355 und 388. Nur mit Mühe gelang es dem Unterkaiser Julian und mehreren tatkräftigen Feldherren, die Rheingrenzen wiederherzustellen. Als zu Beginn des 5. Jahrhunderts das Heer zum Schutze Italiens vom Rhein zurückgezogen werden mußte, überließen die Römer den inzwischen als bundesgenossen aufgenommenen Franken die Verteidigung des Rheinlandes. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches i. J. 476 nahmen die Frankenkönige das Land in Besitz und verteidigten es gegen die Alemannen in einer mörderischen Schlacht i. J. 496. Der König Chlodwig nahm das Christentum an und wurde von dem Bischof Remigius zu Reims mit den Worten getauft: „Beuge in Demut deinen Nacken, stolzer Sugamber; verehre, was du verbrannt hast, und verbrenne, was du verehrt hast."

Die genannte Schlacht soll nach alter Überlieferung bei Zülpich stattgefunden haben. Der Geschichtsschreiber jener Zeit, Bischof Gregor von Torus (Tours?-wingarden.de), von dem die Nachricht stammt, erwähnt jedoch den Ort der Schlacht nicht. Er berichtet wohl über einen Kampf, den der ripuarische Frankenkönig Sigibert von Köln mit den Alemannen bei Zülpich ausgefochten hat; an diesem hat aber Chlodwig nicht teilgenommen. Am Rhein war die Lehre Christi schon im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bekannt geworden, wahrscheinlich durch römische Soldaten und römische Kaufleute. Später stellten sich Glaubensboten ein, durch die bald nach Chlodwigs Übertritt das Christentum im ganzen Frankenlande Eingang fand. So war der Boden bereitet, auf dem sich die Klöster bilden konnten, die durch das Herrscherhaus der Karolinger die tatkräftigste Unterstützung fanden.

Die Gründung des Prümer Klosters ist im ersten Abschnitt dieses Buches erwähnt. Auch ist im fünften Abschnitt gesagt, daß die Normannen, von dem Reichtum des Klosters angelockt, zweimal heranzogen und es beraubten. Der siebte Abt Regino, der nach dem zweiten Überfall i. J. 892 die Leitung des Klosters übernommen hatte, verließ 899 Prüm infolge der Ränke hochstehender Gegner und wurde vom Erzbischof Ratbod mit der Leitung des Klosters S. Martin in Trier betraut. Hier schrieb er ein hervorragendes Geschichtswerk, aus dem wir erfahren, daß die Normannen sich im Jahre 881 zuerst in Nymwegen an der Waal verschanzten und von Ludowich belagert wurden, beim freien Abzug aber die Pfalz mit ihren Befestigungen den Flammen übergaben. Beim zweiten Einbruch verheerten sie das Gebiet der Ripuarier mit Mord, Raub und Brand und ließen die Städte Köln und Bunna (Bonn) mit den naheliegenden Buren, nämlich Tulpiacum, Juliacum und Niusa (Neuß) in Feuer aufgehen. Darauf legten sie die Pfalz Achen (Aachen) und die Klöster Inda (Cornelimünster), Malmundarias (Malmedy) und Stabulaus (Stablo) in Asche.

Den Überfall des Jahres 882 erzählt Regino in lateinischer Sprache wie folgt: „Den Ardennenwald (zu dem auch die Eifel gehörte) durchstreifend, dringen sie grade am Tage der Erscheinung des Herrn (6. Januar) in das Kloster Prumia ein, wo sie sich drei Tage aufhalten und die ganze umliegende Gegend ausplündern. In diesem Landstrich sammelt sich eine unzählige Menge von Fußvolk von den Äckern und Landgütern in einem Haufen und rückt wie zu Kampfe gengen jene vor. Aber die Normannen, als sie dies Bauernvolk nicht sowohl waffenlos als vielmehr von aller Kriegszucht entblößt sahen, fallen mit Geschrei über sie her und strecken sie unter einem solchen Gemetzel nieder, daß unvernünftiges Vieh, nicht Menschen geschlachtet zu werden schienen. Nachdem dies also vollbracht war, kehren sie beutebeladen in ihr Lager zurück. Als sie abzogen, verzehrte das Feuer, welches in verschiedenen Gebäuden brennend zurückgeblieben war, das Kloster, weil niemand zum Löschen da war.“

Als die Normannen zu Ostern desselben Jahres Trier, „die angesehenste Stadt von Gallien“, erobert und den Flammen überliefert hatten, kehrte Kaiser Karl schleunigst aus Italien zurück und belagerte die Feinde bei Elsloo. Der Normannenkönig Godofrid versprach, Christ zu werden, wenn ihm die Provinz Friesland abgetreten und Gisla, die Tochter Lothars, zur Gemahlin gegeben würde. Unter Genehmigung dieser Bedingungen verließen die Normannen das Reichsgebiet, nachdem die übrigen noch eine unermeßliche Menge von Gold und Silber erhalten hatten. Die raublustigen Normannen wandten sich zwar jetzt mehr der neustrasischen (französischen) Küste zu; wo ihnen i. J. 884 der König Karlomann 12.000 Pfund reinen und geläuterten Silbers zahlte, doch kamen im selben Jahre andere zu Schiff von Dänemark her, fuhren den Rhein aufwärts und bemächtigten sich der Stadt Duisburg. Hier überwinterten sie, wurden aber von dem Anführer des ostfränkischen Heeres verhindert, Beute zu machen, und kehrten im Frühjahr, nachdem sie ihr Lager verbrannt hatten, an die See zurück. Im Jahre 891 besiegten die Normannen ein fränkisches Heer an der Maas, wurden aber am 26. Juni von dem aus Bayern herbeigeeilten König Arnulf so gründlich geschlagen, daß aus der unzählbaren Menge kaum jemand übrig, um der Flotte die Unglücksbotschaft zu überbringen.

Dieser Sieg sollte aber unserer Gegend großes Verderben bringen; denn die bei den Schiffen zurückgebliebenen Normannen setzten im Februar 892 über die Maas, drangen in den Gau der Ripuarier ein und kamen, mit der ihnen angeborenen Grausamkeit alles vertilgend, bis nach Bonn. Darauf besetzten sie Landulfeldorf (Lommsdorf bei Mehlem), wo ihnen ein Christenheer entgegentrat, aber nichts vollführte, was man als tapfere Tat hätte preisen können. Bei Einbruch der Nacht verließen die Normannen das genannte Dorf und zogen mit der größten Schnelligkeit beständig durch die Wälder, das Heer links im Rücken lassend, nach dem Kloster Prumia (Prüm). Kaum vermochte der Abt und die Kongregation der Brüder sich durch die Flucht zu retten. Die Normannen verwüsteten alles, töteten einige von den Mönchen, erschlugen den größten Teil der Dienstleute und führten die übrigen als Gefangene fort. „Von dort aufbrechend, dringen sie in den Arduennenwald (d.h. in die Eifel) vor, wo sie die Burg, die auf einer hervorragenden Bergkuppe neuerdings erbaut, einer zahllosen Volksmenge Zuflucht gewährte, angreifen und ohne Verzug erobern. Nachdem sie alle getötet, kehren sie mit ungeheurer Beute zur Flotte zurück und fahren auf schwer beladenen Schiffen mit ihrer gesamten Mannschaft nach den überseeischen Landschaften.“

Wo die eroberte Burg lag, ist nicht bekannt, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß es die Alte Burg im Quecken bei Münstereifel war, da sie hier genannten Bedingungen erfüllte und, wie die im Brandschutt des Turmes gefundene Münze von Ludwig dem Frommen (814-840) zeigt, wahrscheinlich zu jener Zeit zerstört worden ist. (Ausführlicher behandelt: rhein. Geschichtsblätter, Bd. IX Nr. 5.)




Aus: Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel von Studienrat Prof. Karl Hürten, Münstereifel 1926,
Sammlung Hans Regh, Kreuzweingarten
Edition H.K. 8. Dezember 2002


© Copyright
Zur Startseite wingarden.de