Das Keltische Zülpich
von Heribert van der Broeck

Zülpich ist eine der ältesten Städte des Rheinlandes. Seine Vergangenheit reicht hinab bis ins graue Altertum, und es ist somit eine Stätte ältester Kultur. Die bevorzugte Lage hat seine Umgebung in römischer und fränkischer Zeit zum Tummelplatz der verschiedensten Kriegsvölker gemacht.

Zunächst einiges über die Herkunft des Namens Zülpich (Tolbiacum): Die Sprachwissenschaft zeigt uns hier den Weg. Sie ist überhaupt für die Siedlungsgeschichte von größter Wichtigkeit. Ihre Ortsnamenkunde bringt nicht selten Licht in die dunkelste Vergangenheit und ordnet sie ein in den Rahmen der Geschichte. Mit ihrer Hilfe läßt sich auch leicht an vielen Ortsnamen unserer engeren Heimat nachweisen, daß bevor noch die römischen Legionen den Rhein erreicht und die Germanen sich im Rheinland angesiedelt hatten, Teile des mächtigen Keltenvolkes in Westdeutschland ihre Wohnsitze hatten. So finden wir das keltische –magus = Feld in Marmagen, Remagen, Dormagen, –dunum = Höhe in Daun, –acum = Gutshof in Tolbiacum (Zülpich). Der echt keltische Name Tolbiacum wird von Franz Cramer (Rheinische Ortsnamen aus vorrömischer und römischer Zeit) als Heim des Tolbios gedeutet. Joseph Weisweiler, Oberstudiendirektor in Düren, glaubt gelegentlich einer Tagung des Zülpicher Geschichtsvereins im Jahre 1927, man müsse bei der Erklärung des Namens Zülpich auch den volkstümlichen Ausdruck Zöllech berücksichtigen und könne dann den Ortsnamen Zülpich von Tülle herleiten. Dabei muß man wissen, daß z, t und d verwandte Buchstaben sind (vgl. Tolbiacum-Zülpich, Tabernae-Zabern, duo-zwei). Als Tülle oder Dolle wurde ursprünglich der eine Siedlung umschließende Palisadenzaun bezeichnet. Diese Erklärung ließe darauf schließen, daß die erste vorrömische Siedlung ein befestigter Platz gewesen sei. Kessel („Zur älteren Geschichte von Jülich“) deutet die Silbe –acum als aus dem keltischen ins Altdeutsche übergegangenes ah, aha, acha, ac und setzt sie gleich mit Bach. Cramer ist dieser Ansicht entgegengetreten und hat festgestellt, daß das altdeutsche aha = ach nicht aus dem keltischen Stamme, sondern germanisches Eigengut sei und die Silbe –acum nichts mit einem Wortstamm mit der Bedeutung „Bach“ zu tun habe. Mürkens (Orts- und Bachnamen des Kreises Euskirchen) hält noch folgende feinsinnige Auslegung des Namens Tolbiacum für möglich, falls man nicht einen keltischen Personennamen Tolbios annehmen wolle: Ein bei Hoven entspringendes Bächlein nennt er ava = Wasser. Weil dieses zu Tal auf Zülpich zufloß, erhielt es den Namen Tol-ava = Talwasser. Aus Tolava wurde Tolaba (vgl. Danuvius und Danubius). Setzen wir zu Tolaba das keltische Suffix –acum oder –iacum, so erhalten wir Tolbiacum = Siedlung am Talwasser. In seiner jüngsten Ausgabe (Die Ortsnamen des Kreises Euskirchen 1958) deutet Mürkens Tolbiacum ebenso wie Cramer als „Gut des Galliers Tolbios“. Eine ältere Erklärung des Namens Zülpich aus dem griechischen Wort Xylochos = waldige Gegend, ist schon allein aus lautgesetzlichen Gründen ausgeschlossen, da x und z ganz verschiedener Herkunft sind. Anders hingegen verhält es sich mit t und z, was uns Wörter wie tegula = Ziegel und Tolbiacum = Zülpich beweisen.

Die Ortsnamen auf –acum (deutsch = ich) sind von haus aus Adjektiva, bei denen ein Substantiv, etwa Heim oder Gut, zu ergänzen ist. Die Ableitungssilbe –ac in Verbindung mit einem Personennamen bezeichnet somit die von der betreffenden Person gegründete Siedlung. In lateinischen Texten des Altertums und Mittelalters findet man noch die nähere Bezeichnung praedium (Besitztum) oder fundus (Landgut) hinzugefügt, z.B. praedium Avitacum (Besitztum des Avitus) und fundus Aureliacus (Landgut des Aurelius), wodurch die Bedeutung der Silbe –acum bestätigt wird. Das keltische –acum ist gleichbedeutend mit dem lateinischen –ianus, was uns eine merowingische Urkunde aus dem Jahre 615 beweist, in der Lucianus neben Luciacus gebraucht wird. Die Einzelgehöfte (aedificia) der Kelten, daneben die vici (Ortschaften) und oppida (Städte) hat auch Caesar in seinem denkwürdigen Buch über den gallischen Krieg erwähnt. Auffallend ist nur die Feststellung, daß bei ihm keine Ortsnamen auf –acum vorkommen, daß aber wohl drei Personen, nämlich Diviciacus, Baletiacus, Dumnacus diese Endung haben, ebenso vier Völkernamen (Levaci, Rauraci, Bellovaci, Segontiaci). Andererseits finden wir Ortsnamen mit den keltischen Endungen –dunum = Anhöhe (so Noviodunum), durus = Burg, Festung (so Octodurus), briga = Berg (so Magetobriga) und briva = Brücke (so Samarobriva). Alle diese Ortschaften sind ausdrücklich von Caesar als oppidum = fester Platz bezeichnet oder durch ihren bloßen Namen als strategisch wichtige Plätze erkennbar. Damit ist des Rätsels Lösung gefunden. Bei den Ortsnamen auf –acum handelt es sich nämlich um Einzelsiedlungen oder kleinere Ortschaften, die meist im Tale lagen und daher für strategische Zwecke gar nicht in Betracht kamen. Somit ist ihr Nichtvorkommen bei Caesar leicht erklärlich. Die keltischen Ortsnamen wurden in römischer Zeit im allgemeinen beibehalten, nur besonders hinsichtlich ihrer Endung, der lateinischen Sprache angeglichen. Die Bildung der Ortsnamen auf –cum dauerte unter römischer Herrschaft fort und war in Gallien sogar unter fränkischer Herrschaft noch eine Zeitlang gebräuchlich. Ein Beispiel bietet das praedium Childeriacum, das von dem fränkischen Namen Childerich abgeleitet ist.

Zülpichs Umgebung ist überall von Ortschaften, die auf –ich (-acum) endigen und somit auf keltischen Ursprung zurückgehen. Es gibt deren im Rheinland gegen dreihundert. Der Name des Gründers einer solchen Siedlung ist, wie vorher dargetan wurde, um die Silbe –acum (-ich) erweitert. So hatte Fuscinius ein Gut, das nach ihm den Namen Fusciniacum trug. Dieses hat den Grund gelegt zu dem heutigen Füssenich. In gleicher Weise lassen sich die Namen Bessenich aus Bassoniacum, Rövenich aus Rufiniacum, Lövenich aus Lupiniacum, Linzenich aus Lentiniacum, Ülpenich aus Ulpiacum, Merzenich aus Martiniacum, Sinzenich aus Setniniacum, Geich aus Gaiacum usw. herleiten. Ebenso können die anderen Ortsnamen auf –ich gedeutet werden. Trotzdem die Namen Fuscinius, Bassonius, Lupinius usw., denen die vorher genannten Ortschaften ihre Bezeichnungen verdanken, römisch sind, so kann es sich bei den Gründern doch wohl nur um vornehme Kelten handeln, die nach Erlangung des römischen Bürgerrechtes auch römische Namen angenommen hatten; denn was hätte einen urrömischen Bürger veranlassen können, seinen Namen eine fremde Endung anzuhängen? Der Urrömer Vettius nannte sein Gut „Fundus Vettianus“ und nicht „fundus Vettiacus“.

Wie die Kelten, so führten auch die römischen Bürger germanischer Herkunft römische Namen. Hier sei nur erinnert an den bekannten Bataverführer Claudius Civilis, einen waschechten Germanen. Die Verleihung des Bürgerrechts an die Bataver unter Kaiser Claudius gibt uns die Erklärung für den Beinamen Claudius. Daß die lateinische Wortbildung mit –ianus im Rheinland so selten ist, beweist überzeugend, daß hier römische Grundbesitzer kaum vertreten waren und der keltische Einfluß, den das häufige Auftreten der Ortsnamen mit der Endung –acum kund tut, stärker war als der römische. Bisweilen hat auch eine andere Benennung von Ortschaften zu Ehren einer einflußreichen Persönlichkeit stattgefunden, ich denke hier an die Ubierstadt, die Colonia Agrippinensis (Köln) genannt wurde. Ihren Namen erhielt sie nach der Kaiserin Agrippina, der Frau des Claudius, die in Köln geboren war. Die Tatsache, daß die Ortsnamen auf –ich gerade in den Kreisen Düren, Euskirchen und Jülich so häufig vorkommen, während sie beispielsweise am Niederrhein selten sind, beweist uns, daß hier in unserer engeren Heimat die keltische Bevölkerung und am Niederrhein das germanische Element die Oberhand hatte. Was nun die keltischen Einzelsiedlungen angeht, so haben sich im Laufe der Zeit andere Siedler bei diesen angesammelt. So sind aus ihnen dann die Ortschaften geworden, die den Namen der Einzelsiedlung beibehalten haben. Interessant ist die Feststellung, daß bei Zülpich im Umkreis von etwa einer Stunde gegen zwanzig Ortschaften liegen, die die Endung –ich tragen. Es ist dies ein Beweis dafür, daß gerade Tolbiacum, trotzdem es nach Tacitus (hist. IV, 79) im Gebiet der germanischen Ubier lag, die von Vipsanius Agrippa 38 oder 19 v. Chr. links des Rheines angesiedelt worden waren, ein Zentrum keltischen Volkstums auch zur Zeit der Römerherrschaft geblieben ist. Die Fruchtbarkeit unserer Heimat sowie das Vorhandensein des Neffel- und Rotbaches erklären die starke Besiedlung durch die Kelten.


Fundort Zülpich:
Links: Göttin Athene (bei der Freilegung des Römerbades gefunden 1931/23.)
Mitte: Merkurstatuette (Merkur - Hauptgott der Kelten; bei der Freilegung des Römerbades gefunden)

Wo lag nun das vorrömische, keltische Zülpich? Die etwa zwanzig Dörfer, deren Namen auf –ich endigen und die, wie bereits ausgeführt, sämtlich keltischen Einzelsiedlungen ihr Dasein verdanken, sind ohne Ausnahmen in Talniederungen bzw. an den Talrändern gelegen. Tatsächlich haben die Kelten solche Lagen bevorzugt, dabei jedoch nicht grundsätzlich die Höhen gemieden (vgl. Marmagen, das 500 m hoch liegt und als keltische Siedlung erwiesen ist). Diese Beobachtung kann man aber nicht nur bei den Kelten machen, sondern auch bei anderen Völkern älterer Zeit. Die leichte Beschaffung des Trink- und Tränkwassers, das man in den Tälern vorfand, hat bei den keltischen Siedlungen sicherlich eine große Rolle gespielt. Vorgefundene Siedlungsreste im Neffelbachtal beweisen, daß auch das vorrömische Zülpich nicht an der heutigen Stelle, sondern im Tal erbaut war. Während die vorgenannten Ortschaften wohl alle unter römischer Herrschaft entstanden sind - also in der Zeit zwischen 50 v. Chr. bis 476 n. Chr. Geburt - hat das Heim des Tolbios (Zülpich) bereits bestanden, bevor die Römer hier einrückten; denn nicht nur die Endung –acum, sondern auch der Name Tolbios ist keltisch. Als die Römer von unserer Heimat Besitz ergriffen und die Lage des heutigen Zülpichs als strategisch wichtigen Platz erkannt hatten und ihn durch Befestigungen sicherten, gaben sie ihm den Namen der in unmittelbarer Nähe gelegenen keltischen Siedlung. Ähnlich so verfuhr man in Ladenburg (Lopodunum) bei Heidelberg. Ausgrabungen, die dort vorgenommen worden sind, haben ergeben, daß sich die römische Anlage von der schon bestehenden keltischen, die scheinbar unter dem Hochwasser des Neckars zu leiden hatte, nur einige hundert Meter entfernt befand. Auch hier haben die Römer den Namen der keltischen Siedlung beibehalten.

Eine Bestätigung dafür, daß es ein keltisches Zülpich im Tal und ein römisches auf der Höhe gegeben hat, sehe ich in einer Notiz des Itinerarium Antonini, einer Aufzeichnung römischer Reisestrecken aus dem 3. Jahrhundert nach Christi Geburt. Hier sind uns u. a. Bitburg, Jünkerath, Marmagen und Zülpich als Stationsorte der Strecke Trier-Köln ausdrücklich bezeugt. Es ist nicht uninteressant festzustellen, daß alle diese Stationsorte als vici (Ortschaften) bezeichnet sind. Bei Tolbiacum lesen wir den merkwürdigen Zusatz: „vicus sopenorum bzw. sopernorum“. Man hatte bislang immer der Lesart „sopernorum“ den Vorzug gegeben, die einer Handschrift des 10. Jahrhunderts entnommen ist. Auch in der besten Ausgabe des Itinerars finden wir diese Lesart. Hätten die Herausgeber Zülpich und seine Umgebung näher gekannt, so würden sie sich bestimmt anders entschieden haben. Denn die Lesart „sopenorum“ ist völlig rätselhaft. Die Übersetzung würde lauten: „Ortschaft der Sopener“. Aber mit Sopenern ist hier nichts an. Es müßte sich doch irgendwo in Zülpich oder in seiner Umgebung ein Name finden, der auf Sopener hindeuten würde. Geben wir jedoch der Lesart „sopernorum“, die wir ebenfalls in einer Handschrift des 10. und in zwei Handschriften des 16. Jahrhunderts vorfinden, den Vorzug, so ist mit einem Schlage das Dunkel, das über vicus sopernorum lag, aufgehellt.

Vicus sopernorum oder superiorum bedeutet Oberdorf im Gegensatz zum Unterdorf, das von den Kelten schon vor der Ankunft der Römer im Neffelbachtal gegründet worden war. Daraus, daß das Itinerarium bei Zülpich den ungewöhnlichen Zusatz gemacht hat, ist klar zu erkennen, daß das keltische Zülpich im Tal des Neffelbachs im 3. Jahrhundert noch bestanden haben muß, da sonst der Zusatz sich erübrigt hätte. Die Köln-Trierer Straße berührte nur das hochgelegene Zülpich, während die Straße Zülpich-Neuß an dem Zülpich im Tal, d.h. dem keltischen Zülpich vorbeiführte. Eine solche Unterscheidung pflegt man heutzutage ganz genau so zu machen. Wir sagen beispielsweise von der Straße Zülpich-Heimbach, daß sie durch Vlatten führt, weil sie das Ober- und das Unterdorf berührt. Im Gegensatz dazu sagt man von der Straße Euskirchen-Rheinbach, daß sie durch Oberdrees geht und nicht einfach durch Drees, weil Niederdrees abseits dieser Straße liegt.

Wann ist das keltische Zülpich entstanden? Diese Frage ist nicht mit Bestimmtheit zu beantworten. Wir wissen nur, daß es schon bestanden hat, als die Römer ihre Herrschaft über unsere Gegend ausbreiteten. Es kann sich hier um einige Jahrhunderte handeln. Über die Entstehungszeit der römischen Befestigungsanlage in Zülpich bzw. des Kastells wissen wir ebenfalls nichts Genaues. Der Bau der Straße Lyon-Trier-Köln durch den Statthalter Vipsanius Agrippa im Jahre 20/19 v. Chr. Geburt kann uns hier einigen Aufschluß vermitteln. Die bevorzugte Lage Zülpichs ist nämlich der Anlaß gewesen, daß die Römer den Stationsort Zülpich schon bald nach dem Bau der überaus wichtigen Heerstraße irgendwie sicherten. Diese Behauptung wird durch den Bericht des Tacitus in seinen Historien (IV, 79) bewiesen; denn hieraus ist zu ersehen, daß Claudius Civilis während des Bataveraufstandes im Jahre 70 n. Chr. seine beste Kohorte in Zülpich stationiert hatte. Welcher Art die damalige Sicherung oder Befestigung war, ist nicht bekannt.

Aber die Tatsache, daß die Befestigung der Kohorte des Claudius Civilis - immerhin 400 bis 600 Mann - Unterkunft bot, ferner die günstige Lage, die Zülpich zu einem Straßenknotenpunkt ersten Ranges machte, lassen den Schluß zu, daß Zülpich 70 n. Chr. schon durch ein Kastell gesichert war. Um die Mitte des 3. Jahrhunderts, als die Gefahr der Gemaneneinfälle sich steigerte, sahen die Römer sich genötigt, die Festungsanlage in Stein zu setzen. - Um diese Zeit ist auch das Römerbad entstanden.

Damals, als die feindlichen Überfälle sich häuften, haben die Bewohner des keltischen Zülpich das Bestreben gehabt, bei den Mauern des Kastells Schutz zu suchen. So nur ist es zu verstehen, daß die erste Siedlung am Neffelbachtal allmählich ihrem Untergang entgegenging, da neue Wohnungen wegen der Unsicherheit im Tal nur noch bei dem römischen Kastell errichtet wurden.

Was die Besiedlung Zülpichs und seiner Umgebung betrifft, so sind die Kelten zwar die ersten Bewohner gewesen, die geschichtlich nachgewiesen werden können. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß vor den Kelten schon Ligurer hier gewohnt haben. Nach d'Arbois de Jubainville, dem hervorragendsten keltischen Altertumsforscher Frankreichs, waren vor der keltischen Einwanderung Ligurer u. a. im heutigen Frankreich und am Rhein ansässig. Ligurisches Sprachgut vermutet man noch in den Namen Urft, Erft und Elsig. Vor einigen Jahrzehnten hat man in einer Sandgrube bei Bessenich (2 km von Zülpich entfernt) zwei Frühhallstatturnen gefunden, die neben Knochenasche noch mehrere Beigefäße enthielten. Als Hallstattperiode bezeichnet man die älteste Eisenzeit (1100-500 v. Chr.). Sie hat ihren Namen von einem großen Gräberfeld mit vorgeschichtlichen Funden, das man im Jahre 1846 bei Hallstatt im Salzkammergut aufgedeckt hat.

Hierdurch ist erwiesen, daß Zülpichs Umgebung bereits vor den Kelten besiedelt war. Während man die Einwanderung der Ligurer um das Jahr 2000 v. Chr. ansetzt, glaubt man, die Kelten hätten sich um das Jahr 1000 v. Chr. in Mitteleuropa angesiedelt. Später, etwa um 500 bis 400 v. Chr., sind sie dann aus Mittel- und Süddeutschland von germanischen Stämmen allmählich gegen den Rhein gedrängt worden. Zur Zeit Caesars (um 50 v. Chr.) hatten die Germanen das rechte Rheinufer besetzt und die Bataver und Belger, germanische Stämme, waren schon im Besitz des Rheinmündungsgebietes und Belgiens (vgl. Caes. Bell. Gall. II, 4). Damals besiedelten die Eburonen unsere Heimat. Caesar bezeichnet diesen Volksstamm und die benachbarten Paemaner, Caeroser und Condruser, weil sie mit Germanen stark durchsetzt waren, in seinem bellum Gallicum mit einem Namen als Germanen. Am Oberrhein drängten die Sueben über den Rhein. Erst das tatkräftige Eingreifen Caesars machte diesen Bewegungen ein Ende und brachte sie zum völligen Stillstand. Caesar hat alles Land links des Rheines der römischen Herrschaft unterworfen und schuf auf diese Weise auch für die hier wohnenden Kelten eine neue Lage.


Matronenstein, in Zülpich gefunden

Auf kulturellem Gebiet war dadurch, daß ein großer Teil der alten Bevölkerung zurückblieb, die Wahrung der wichtigsten Errungenschaften der keltischen Kultur gegenüber der römischen gesichert. Wer bezüglich der Kelten glaubt, sie seien ein rohes Kulturvolk gewesen, der irrt gewaltig. Im Gegenteil haben die Römer noch manches von ihnen lernen können. Sie waren tüchtige Ackersleute und Viehzüchter sowie rege Geschäftsleute, die nutzbringende Gewerbe eifrig betrieben. Die Eisentechnik erfreute sich bei ihnen höchster Blüte. Ihre Fertigkeit in der Metallverarbeitung und ihre Vertrautheit mit dem Bergbau schließen nicht aus, daß sie auch bereits in Mechernich und seiner Umgebung Blei gewonnen haben. Im Hausbau waren sie vorbildlich, besonders was Schutz gegen Kälte angeht. Wir finden bei ihnen Fachwerkhäuser mit Lehmbewurf und Strohbedachung, wie man sie heute noch vereinzelt in der Eifel, so etwa in Höfen bei Monschau, antrifft. Im Festungsbau haben sie Großartiges geleistet; davon gibt uns Caesar (bell. Gall. VII, 23) ein anschauliches Bild. Schon früh kam vom Mittelmeer her die Töpferscheibe zu ihnen. In den antiken Töpfereien fehlt es nicht an keltischen Namen. Die römische und keltische Töpferkunst zeigen deutlich gegenseitige Beeinflussung.

Das Bestreben der neuen Machthaber ging dahin, das keltische Wesen so weit zu schonen, als es sich eben mit der Reichseinheit in Einklang bringen ließ. Hinsichtlich der Sprache konnte dieses Prinzip schlecht durchgeführt werden, wollte nicht die römische Regierung eine Schranke zwischen Siegern und Besiegten aufrichte. Der Gebrauch der Landessprache wurde jedoch nicht untersagt. Erst allmählich wurde die keltische Sprache von der römischen immer mehr verdrängt. Dieser Vorgang vollzog sich naturgemäß bei den Rheinlagern schneller als in den übrigen Teilen Galliens. Das Fortleben der Nationalsprache unter römischer Herrschaft zeigt sich noch deutlich bei gallischen Ortsnamen wie Augustodunum (Autun) und bei der sogar nach dem Untergang der römischen Herrschaft noch gebräuchlichen Endung –acum. Zahlreiche Funde an Matronensteinen in und bei Zülpich, so von den Matronae Aufaniae, Cuchinehae, Vesuniahenae, Veteranehae u.a., gewähren uns Einblick in die religiöse Eigenart der Kelten. Der den Römern fremde Matronenkult, worüber sich die römische Literatur vollständig ausschweigt, so daß wir ganz und gar auf die gefundenen Matronensteine mit ihren Inschriften und Darstellungen angewiesen sind, wurde in unserer Heimat ganz besonders gepflegt. Er reicht zurück bis in die Zeit des Kaisers Caligula (37-41) und hatte seine höchste Blüte im 2. und 3. Jahrhundert. Die Matronen, die immer in der Dreizahl vorkommen, galten als Segensgöttinnen und Schutzgeister von Familien und blutsverwandten Verbänden. Nach heidnischer Auffassung ließen sie ihren Schutzbefohlenen in jedweder Lage Hilfe zukommen. Auffallend ist, daß sogar römische Soldaten diesen fremden Gottheiten ihre Verehrung erwiesen. Die Kelten haben somit auch unter römischer Herrschaft ungehindert ihren einheimischen Kultus weiterführen können; nur die finstere Druidenreligion mit ihren Menschenopfern war ihnen von den römischen Kaisern seit Tiberius streng untersagt worden. Von den Göttern verehrten die Kelten besonders den Merkur, was uns Caesar (bell. Gall. VI, 17) bezeugt: „Deorum maxime Mercurium colunt“ (Von den Göttern verehren sie besonders den Merkur). Es ist daher auch nicht zu verwundern, daß man in Zülpich, das auch noch zur Römerzeit trotz der Ansiedlung der germanischen Ubier ein Zentrum keltischen Volkstums geblieben ist, bei der Freilegung des Römerbades unter dem Schutt eine Merkurstatuette gefunden hat.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich trotz des starken römischen Einflusses, der nicht geleugnet werden kann, die keltische Kultur neben der römischen behauptet hat.

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