Die Tomburg
Von Dr. jur. Hub. Schwarz, Rheinbach

Wohl nie wird der dichte Schleier, der über der Erbauung der Tomburg liegt, ganz gelüftet werden können, da sichere Belege dafür fehlen.

Die auf dem Tomberge gemachten Funde lassen erkennen, daß sich dort eine römische Siedelung befunden hat. Welcher Art diese gewesen ist, ob eine Villa oder eine Befestigung, läßt sich nicht mehr feststellen. Gefunden wurden mÜnzen mit dem Bildnis der Kaiser Valens und Valentinian II., ferner Gefäße und Gefäßstücke. Westlich des Burgfrieds wurden Reste einer Heizanlage aufgedeckt, und in das jetzt noch vorhandene viel spätere Mauerwerk sind römische Ziegel eingelassen. Jedenfalls befand sich aber auf dem Tomberge ebenso wie auf dem Speckelstein - der Name von dem lateinischen Worte spicere, sehen besagt es hier schon - ein militärischer Beobachtungsstand, von dem man die Befestigungen bei Todenfeld, und die von dort über das Kapellchen, Forsthaus, Rheinbach nach dem Bonner Lager führende Heerstraße übersehen konnte.

Auch die römische Weltmacht sank in Trümmer. Als 403 Stilicho die Legionen vom Rheine zurückzog, um sie gegen den Westgotenkönig Alarich zu verwenden, war auch für die römischen Siedelungen und militärischen Anlagen das Ende gekommen. Fränkische Banden rückten den abziehenden Legionen nach und zerstörten alles. Das gleiche Schicksal hat damals die Anlage auf dem Tomberge erlitten.

Ruhige Zeiten kamen jedoch für das linke Rheinufer nicht. Als der Strom der hin- und herziehenden Germanen zur Ruhe gekommen war, drangen hunnische Horden unter Attila über den Rhein vor. Wenn auch ihre Kraft durch die Schlacht auf den Katalaunischen Gefilden 451 gebrochen war, so brannten doch die über den Niederrhein zurückflutenden Scharen alles nieder. Köln wurde gestürmt.

Etwa ein halbes Jahrhundert später überfallen die Alemannen die hiesige Gegend, werden aber 416 bei Tolbiacum (Zülpich?) von Chlodwig besiegt. Die Ortsnamen auf „weiler“ erinnern noch an ihre Siedlungen. In der Rheinbacher Gemarkung finden sich noch die Flurnamen: „Weilerkante, am Weilerloch, am Wiehlerpütz, in den Weilerbenden, im großen und im kleinen Weilerfelde.“

Unter den Karolingern kommen die Normannen auf ihren Raubzügen 880 und 892 in unsere Gegend und zerstören und verbrennen alles. Besonders wurden Kirchen und Klöster geplündert. Der Geschichtsschreiber jener Zeit, Abt Regino von Prüm erzählt, daß sie auf ihrem ersten Zuge Köln, Bonn, Zülpich, Neuß und Jülich und die Klöster Conelymünster, Prüm und Malmedy sowie den Königspalast zu Aachen vernichtet hätten. Auf ihrem zweiten Zuge seien sie wieder bis nach Bonn gekommen. Bei ihrem Abzuge haben sich ihnen bei Ludendorf ein Heer entgegengestellt. Die Normannen seien aber einer Schlacht ausgewichen, und durch den Flamersheimerwald nach Prüm gezogen. Die Furcht vor ihnen war so groß, daß überall gebetet wurde: „A furore Normannorum libera nos, Domine“, Herr schütze uns vor der Wut der Normannen.

Es ist selbstverständlich, daß man bei den fortgesetzten kriegerischen Ereignissen darauf bedacht war, einen möglichst sichern und geschützten Wohnsitz zu haben. Darum wurde auch die Tomburg auf den vorhandenen römischen Trümmern erbaut. Wann dieses aber geschah, ob aus Furcht vor den Hunnen, Alemannen oder Normannen, weiß man nicht. Die darüber aufgestellten Behauptungen sind in keiner Weise bewiesen. Der Name Tomburg, in den Urkunden toneburch, erscheint erst gegen das Jahr 1000 und zwar als Wohnsitz der Pfalzgrafen von Lothringen.

Einige Worte über die Pfalzgrafen zur Zeit der Ottonen. Sie hatten lange nicht die Bedeutung, wie vom 12. Jahrhundert an. Man unterschied vier Pfalzgrafen, von Lothringen, Baiern, Sachsen und Schwaben. Die erste Pfalzgrafschaft hieß von der Kaiserpfalz Aachen, auch die Aachener Pfalzgrafschaft, seit Barbarossa Pfalzgrafschaft bei Rhein. Der Pfalzgraf war Reichsbeamter, führte die Aufsicht über die Krongüter und hatte in seinem Gebiete an Stelle des Kaisers die Gerichtsbarkeit. Ihre ganze Stellung war eigentlich nur gedacht als Gegengericht gegen die mächtig werdenden Stammesherzöge. Der erste lothringische Pfalzgraf in der angegebenen Tätigkeit war Hermann I., der vorher als Graf des Bonn- Auel-, Eifel- und Zülpichgaus genannt wurde. Sein Wohnsitz war die Tomburg. Aus seinem Hause, das ich nach der Stammburg das der Tomburger nenne, stammen vier Pfalzgrafen. Ihr Geschichtsschreiber ist ein Mönch aus dem Kloster Brauweiler. Die Quelle ist jedoch nicht ganz vorurteilsfrei, denn man muß bedenken, daß das Kloster Brauweiler eine Stiftung des Pfalzgrafen Ezzo ist, dem dieses zu großem Danke verpflichtet war.

Von Hermann berichtet die Chronik nur, daß er sich in der Schlacht gegen die Ungarn auf dem Lechfelde 955 besonders ausgezeichnet habe. Die Pfalzgrafschaft erhielt er wahrscheinlich 966, als Kaiser Otto I. nach dem Tode seines Bruders, des Erzbischofs Bruno, in Köln weilte. Aus der Ehe mit Heliwyga hatte Hermann zwei Söhne, Ezzo oder Ehrenfried und Hezelin oder Heinrich. Ersterer war Nachfolger des Vaters in der Pfalzgrafenwürde.

Ezzo war um das Jahr 954 auf der Tomburg geboren. Seine Erziehung leitete der Bischof Ulrich von Regensburg. Ezzo wird geschildert als ein Jüngling von ausgezeichneten Vorzügen des Körpers und des Geistes. Am Hofe zu Aachen galt er als der schönste Mann seiner Zeit, und es gelang ihm die Liebe der Kaisertochter Mathilde zu erringen, die er nach vielen Schwierigkeiten auch als Gemahlin nach der Tomburg führen konnte. Diese Heirat war für die damaligen Anschauungen eine Mißheirat. Um sie verständlich zu machen, erfand der Brauweiler Mönch folgende schöne Geschichte:

Kaiser Otto III. war ein leidenschaftlicher Schachspieler. Als Ezzo eines Tages mit ihm spielte, kam man überein, der, welcher seinen Gegner dreimal nacheinander matt setzte, solle von diesem das Beste verlangen können. Ezzo siegt dreimal und verlangt die Schwester des Kaisers, Mathilde zur Frau. Otto, der nicht wortbrüchig werden wollte, erfüllte den Wunsch und stattete seine Schwester mit reichen Gütern zum standesmäßigem Leben aus. Die Güter lagen in Sachsen, Thüringen und am Main. Als Brautgeschenk gab Ezzo seiner jungen Gemahlin seine Güter zu Brauweiler.

Einige Jahre nach der Verheiratun Ezzos starb sein Schwager Kaiser Otto III. in Italien. Erzbischof Heribert führte die Leiche über die Alpen nach Aachen und schickte von den Reichskleinoden die hl. Lanze nach der Tomburg, da Ezzo Reichsverweser war. Über dessen amtliche Tätigkeit ist fast ncihts bekannt. Daß er Kaiser Heinrich II. In der Schlacht bei Odernheim besiegte und den Herzog Theoderich rittlings auf Pferd gebunden als Gefangenen nach der Tomburg führte, ist nicht einwandfrei festgestellt.

Nach einem Besuche des Papstes in Rom 1025 gründen Ezzo und Mathilde zur Erfüllung eines gemachten Gelübdes das Kloster Brauweiler. Zu dieser Stiftung gehörten auch mehrere Wiesen beim Tomberge.

Ende desselben Jahres starb Mathilde, die sich von der Tomburg aus zum Besuche ihres Schwagers Hezelin begeben hatte, auf dem Schlosse Esch bei Bergheim (Erft) *) Die Beerdigung nahm Erzbischof Piligrinns in Brauweiler vor. Ezzo war von dem Tode seiner Gemahlin tief erschüttert, er zog sich nach Brauweiler zurück, wo er ein klösterliches Leben führte. 1035 starb er bei einem Aufenthalte auf seinen Gütern in Saalfeld in Thüringen. Sein Leichnam wurde nach Brauweiler gebracht und neben seiner Gemahlin beigesetzt. Im 17. Jahrhundert wurde das Grab aus der Mitte des Chores der Klosterkirche an die obere Wand des Seitenschiffes verlegt, wo es sich noch befindet. Er trägt die Aufschrift: Hic Cia fundatorum ossa iacent. „Hier ruhen die frommen Stifter.“

Die Ehe Ezzos war mit 10 Kindern gesegnet. Ludolf, Vogt des Erzstiftes Köln; Pfalzgraf Otto, später Herzog von Schwaben; Hermann, Erzbischof von Köln; Richeza, Königin von Polen; Adelheid, Äbtissin von Nivelles; Ida, Äbtissin von St. Maria am Kapitol in Köln; Mathilde, Äbtissin von Dietkirchen in Bonn; Thephan, Äbtissin in Essen; Helywiga, Äbtissin in Neuß; Sophia, Äbtissin in Gandersheim.

Ludolf war vermählt mit Mathilde, einer Tochter des Grafen Otto von Zütphen. Er starb bereits 1031 und hinterließ zwei Söhne, Heinrich, der früh starb, und Kuno, der im Jahre 1049 Herzog von Bayern wurde. Ludolf und Heinrich wurden ebenfalls im Kloster Brauweiler beigesetzt.

Kuno, der 1057 Herzog von Kärnten wurde, verschmähte es, die Tochter Heinrichs III. zu heiraten und wurde daher abgesetzt. Er verband sich mit den Ungarn. Der Kaiser ließ ihn durch Gift aus dem Wege räumen. Erzbischof Anno ließ später die Leiche in Köln in der Kirche Maria zu den Staffeln beisetzen.

Da Kuno beim Tode noch minderjährig war, ging die Pfalzgrafschaft an seinen Onkel Otto über. Dieser war, wie der Mönch von Brauweiler berichtet, von großer Natur, angenehmem Äußernen und einnehmendem Betragen. Besonders rühmt er seine Treue für Kaiser Heinrich III. im Kampfe gegen Gottfried von Oberlothringen. Er war Pfalzgraf bis 1045, wo er zum Herzoge von Schwaben ernannt wurde. Die Pfalzgrafschaft bekam auf Betreiben des Kaisers Heinrich III. Heinrich, der Sohn Hezelins. Otto starb aber schon 1084 auf der Tomburg. Die Leiche wurde nach Brauweiler gebracht. Die Leichenfeierlichkeiten, denen auch der Kaiser beiwohnte, nahm Bruno, Bischof von Toul, der spätere Papst Leo IX. vor.

Der dritte Sohn Ezzo, Hermann, trat in den geistlichen Stand, wurde 1036 Erzbischof von Köln. Wegen hervorragender dem päpstlichen Stuhle geleisteter Dienste wurde er von dem schon genannten Papste Leo zum römischen Erzkanzler ernannt. Er starb 1056.

Richeza heiratete durch Vermittlung des Kaisers den König Mistizla von Polen. Aus der Ehe stammte der spätere König Kasimir I. Sie war jedoch wenig glücklich. Richeza wurde von den Polen vertrieben und kehrte in ihre Heimat zurück. Nach dem Begräbnisse ihres Bruders Otto legte sie alles, was sie an Gold und Kostbarkeiten besaß, auf den Altar des Klosters Brauweiler und wurde Nonne im Ursulakloster in Köln. Ihrem Wunsche gemäß fand sie ihre letzte Ruhestätte ebenfalls in Brauweiler. Meckenheim, das ihr gehörte, gab sie dem Erzbischof Anna, der es dem Mariengnadenstifte in Köln schenkte. In Brauweiler befindet sich nur noch die Grabstätte der Äbtissin Adelheid.

Traurig war das Geschick Heinrichs, des letzten Pfalzgrafen aus dem Hause der Tomburger, dem die Geschichte den Beinamen der Wütende gegeben. Vermählt war er mit Mathilde, einer Tochter des Herzogs Gozelo von Lothringen. Die kurze Zeit seiner Regierung ist ausgefüllt durch den Streit mit dem Erzbischof Anno von Köln. Veranlaßt wurde dieser durch die Räubereien, die die Mannen Heinrichs von dem festen Siegburg aus verübten, wobei auch die Kirchen und Klöster nicht geschont wurden. Anno sprach den Bann über den Pfalzgrafen aus, der gefangen nach Köln gebracht wurde. Nachdem er Siegburg abgetreten hatte, verzieh ihm der Erzbischof. Heinrich trat reumütig in das Kloster Gorze ein. In den engen Klostermauern litt es ihn jedoch nicht lange. Schon bald trat er, von Rache gegen Anno und Sehnsucht nach seiner Gemahlin getrieben, wieder aus. Der Kampf gegen der Erzbischof begann aufs neue. Alles verbrennend und verheerend zog Heinrich bis vor Köln. Der Übermacht Anno mußte er jedoch weichen und zog sich auf seine feste Burg Cochem zurück, die belagert werden sollte. Bevor jedoch die Belagerung begann, ermordete Heinrich, im plötzlichen Wahnsinn verfallen, seine Gemahlin. Seine eigenen Mannen lieferten ihn seinem Gegner aus. Im Kloster Echternach beschloß er 1060 sein wechselvolles Leben. Er hinterließ nur einen unmündigen Sohn, dessen Name nicht bekannt ist.

So fand das Tomburger Pfalzgrafengeschlecht, das ein Jahrhundert lang eine so bedeutende Rolle gespielt hatte, ein trauriges Ende. Bezeichnend für die ganze Familie war die tiefe Frömmigkeit, sodaß bei ihrem Aussterben der große Besitz fast ganz durch Stiftungen und Klöster gekommen war. Von Ortschaften in unserer nächsten Nähe nenne ich nur Peppenhoven, Wormersdorf, Ippendorf, Meckenheim, Gelsdorf. Auch das Stammschloß, die Tomburg, schenkte Erzbischof Hermann 1052 dem Erzstifte, und Papst Leo IX. bestätigte die Stiftung am 7. Mai desselben Jahres. Seit diesem Tage waren die Erzbischöfe von Köln die Lehnsherrn der Tomburg.

Eifelvereinsblatt 21. Jahrgang, No. 1, Mitte Jan 1920, Herausgegeben vom Eifelverein, Selbstverlag, Schriftleitung Rektor Zender in Bonn.

*) Anm. Wingarden.de: es wird auch Echtz bei Düren angenommen

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