Temperatur und Sinterbildung

Bemerkungen zu „Kalksinter im Römerkanal“ von Walram Schmitz, in Heft 4/78, 55ff

Von Dietwulf Baats


W. Schmitz hat sicher nicht Unrecht, wenn er meint, daß die Revisionsschächte mit der Sinterbildung in der Leitung zusammenhängen, weil durch diese Schächte das Kohlendioxyd entweichen konnte. Aber das war gewiß nicht der Hauptfaktor für die unterschiedliche Bildung des Sinters in den verschiedenen Strecken der Leitung. Die Stärke der Sinterbildung ist vielmehr vor allem ungefähr proportional zum Temperaturanstieg des Leitungswassers. Dadurch wird das empfindliche Gleichgewicht des Lösungssystems Wasser-Kohlensäure-Kalk gestört, und der Sinter fällt aus. Den Effekt der Kalkabscheidung bei Temperaturenerhöhung durch Erwärmung des Leitungswassers kennt jeder Bewohner einer Gegend mit kalkreichem Wasser am Beispiel der Kesselsteinbildung. Dieser Effekt tritt (leider) auch in völlig abgeschlossenen Kesseln ein, wie jeder weiß. Das Kohlendioxyd, das dabei frei wird, findet dann entweder im entweichenden Wasserdampf oder in kleinen Gasbläschen einen Ausgang. Bei der Kölner Wasserleitung muß man sich außerdem klarmachen, daß die Sinterbildung äußerst langsam erfolgte, über viele Jahrzehnte hinweg. Dabei entwickelte sich pro Tag nur sehr wenig Sinter und entsprechend wenig Kohlendioxyd, das jedenfalls auch dann entweichen konnte, wenn die Schächte weit auseinander lagen. zu lokalen Anreicherungen der Luft mit CO2 ist es daher in der Leitung kaum je gekommen.


Nach der Sinterdicke geschätzter Temperaturverlauf


In der beigefügten Skizze gebe ich eine grob geschätzte Kurve des Temperaturverlaufs in der Leitung, wie man sie sich nach der wechselnden Sinterdicke vielleicht vorstellen kann. Natürlich gilt dies Kurve nur für die warme Jahreszeit. Wenn sich im strengen Winter das Leitungswasser nicht erwärmte, dürfte auch keine Sinterbildung in der Wasserleitung erfolgt sein.

Man kann sich nun fragen, warum die Temperatur am Anfang und auch wieder am Ende der Leitung so langsam ansteigt. Am Anfang der Leitung mündeten bis in die Gegend von Bergheim immer wieder seitliche Quellarme in die Hauptleitung. Diese waren verhältnismäßig kurz und brachten ziemlich kaltes Quellwasser. Sie hielten dadurch die Temperatur in der Hauptleitung auf einem niedrigen Niveau. Dann hörten diese seitlichen Leitungen auf, und der Aquädukt kam rasch aus den kühlen, höheren Mittelgebirgslagen in die wärmeren Täler. Hier erwärmte sich das Wasser schneller, und es fand die stärkste Sinterbildung statt. Schließlich hatte sich das Wasser nach etwa 30 km Leitungslänge soweit erwärmt, daß es ungefähr schon die gleiche Temperatur wie das umgebende Erdreich besaß. Die Erwärmung des Wassers und die Sinterbildung gingen infolgedessen stark zurück. Kurz vor Köln traten dann zwei entgegengesetzte Faktoren auf, nämlich einerseits mündete die alte Wasserleitung aus dem Vorgebirge ein, die wahrscheinlich kälteres und gewiß auch chemisch anders zusammengesetztes Wasser lieferte, was eine Verringerung der Sinterbildung bewirkt haben dürfte; andererseits lief der Aquädukt zuletzt auf Bögen in der Luft, was eine stärkere Erwärmung bewirkte. Der zuerst genannte Faktor scheint überwogen zu haben.


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