Neues von der alten römischen Wasserleitung

Von Waldemar Haberey

Der „Römerkanal“ durchzieht unterirdisch als mannhohe steinerne Ader unser Kreisgebiet. Jahrhundertelang hat er frisches, kühles Quellwasser nach Köln, der Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien geleitet. Die gestreckte Länge dieses Bauwerks beträgt über 100.000 laufende Meter, davon entfallen auf den Kreis Euskirchen *) etwa 20 km. Die Quellen, aus denen sich dieses Wasserwerk versorgte, liegen bei Weyer oberhalb Dreimühlen, im stillen Tal hinter Urfey, zwischen dem Sägewerk Molinari und Kallmuth und im Wiesengrund des Urfttales oberhalb der Ortschaft Urft. Ziel und Ende der Leitung war ein großer, rund gemauerter Wasserbehälter, der unmittelbar außen an die römische Stadtmauer von Köln angebaut war, und von dem aus dann das Wasser auf die einzelnen Stadtleitungen verteilt wurde. Der heutige Straßenname „Im Laach“ erinnert noch an dieses antike Wasserbecken, von dem über der Erde längst nichts mehr erhalten ist.


Die Römische Wasserleitung bei Satzvey (Kr. Euskirchen) oberhalb der Katzensteine. Die Leitung selbst ist ausgebrochen, von ihr ist nur noch der Graben übrig.

Das Prinzip, nach dem diese Leitung ihr Wasser beförderte, war kein anderes als das eines natürlichen Bachbettes: Der Römerkanal ist wassertechnisch gesehen eine Rinne und kein Rohr, obwohl er unterirdisch verläuft und rundum abgeschlossen ist. Die Leitung hat immer gleichgerichtetes Gefälle nach Köln hin. Eine am grünen Pütz bei Urft in die Rinne geschobene Kegelkugel würde ohne alle Nachhilfe bis Köln, d. h. über 90 km weit gerollt sein. Der römische Ingenieur, der den Verlauf für diese Leitung plante, mußte einen Weg finden, der von Köln her gesehen stets und ohne jede Unterbrechung bergauf führte. Bedenkt man, daß zu jener Zeit, im 2. Jahrhundert n. Chr. keinerlei brauchbare Karten des Geländes vorhanden waren, daß außerdem ein großer Teil der Strecke durch dichten Wald führte, daß weiterhin als Meßgeräte lediglich das Senklot, eine Art überlange Wasserwaage und eine sehr einfache Vorrichtung zum Messen rechter Winkel bekannt waren, so ist allein die Streckenführung ein beredtes Zeugnis von der Ingenieurbaukunst jener Tage. Auch ist die unterirdisch und frostfrei verlegte Rinne handwerklich so solide ausgeführt, daß sie bis heute noch voll funktionsfähig geblieben ist, sofern sie nicht mutwillig zerstört wurde. Sie besteht auf lange Strecken hin aus einem sehr harten Stampfbeton - zu sehen bei Kall, Sötenich und Urft - an anderen Stellen ist sei aus Bruchsteinen sauber gemauert - aufgeschlossen bei Breitenbenden und Eiserfey - und überall mit einem gemauerten Gewölbe abgedeckt.


Die Römische Brunnenstube bei Kallmuth

Sie ist so dimensioniert, daß sie zur Kontrolle und Reinigung begangen werden konnte. Dafür waren Einstiegschächte angelegt, von denen einige in den letzten Jahren wieder entdeckt werden konnten. Im großen und ganzen ist der Verlauf der Leitung im Gelände heute bekannt, wenn auch noch viele Einzelfragen offen bleiben mußten.

Das Rheinische Landesmuseum in Bonn hat in den letzten Jahren verschiedene wichtige Einrichtungen der Leitung aufgegraben und untersucht. So sind drei Quellfassungen - eine im Urfttal, eine am Klausbrunnen bei Kallmuth und eine in den Hausener Benden bei Weyer in ihre Konstruktion und Wirkungsweise genau bekannt geworden. Die größte der drei, die bei Kallmuth, ist wiederhergestellt, mit einem Schutzhaus überbaut und jedem Interessierten zugängig gemacht worden. Diese Brunnenstube liegt in der Luftlinie 48 km von Köln entfernt, die römische Wasserleitung benötigte hierzu 73 km.


Einblick in die unversehrte Leitung bei Breitenbenden (Kr. Schleiden)

Die Quellfassung ist im Lichten 3,5 x 5,8 m groß und fast 3 m tief durch den Gehängeschutt bis in den anstehenden zerklüfteten Kalkfelsen eingelassen. Sie sammelte das aus dem Hang hervorquellende Wasser, zu diesem Zweck sind beide Seitenwände in ihrem Fundament wasserdurchlässig angelegt. Dieses römische Bauwerk kann heute von einem umlaufenden Gang her bequem besichtigt werden, und der unterirdische Teil ist durch zwei hinabführende Betontreppen erschlossen. Diese nunmehr gesicherte Anlage erfreut sich eines wachsenden Besuches, was die Baukosten des Sicherungshäuschens jetzt schon rechtfertigt.

Eine für die Überführung der Leitung über ein Seitental bei Vussem gebaute Brücke, ein kleiner Aquädukt, ist zwei Bogen weit genau in den alten Maßen wiederaufgebaut und gibt so eine gute Vorstellung vom ganzen Bauwerk, seiner Funktion und Lage im Gelände. Dieser Aquädukt überquerte auf 14 Pfeilern und 75 m Länge das mit seiner Sole etwa 10 m tiefer liegende Tälchen. Gleich unterhalb dieses Bauwerkes war ein Einstiegsschacht in den Kanal gebaut.

In Kreuzweingarten haben sich die Gemeinde und die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft zusammengetan, um gemeinsam mit dem Amt für Denkmalpflege die in der Ortslage vor Jahren durch Pfarrer Reinartz aufgedeckten Stellen der Leitung zu sichern und in einen würdigen Zustand zu bringen. Es muß überhaupt angestrebt werden, daß kennzeichnende und wichtige Teile dieses Bauwerkes als Denkmale ausgewiesen und so vor Zerstörung geschützt werden. Seit dem Krieg sind nämlich - hauptsächlich dem Straßenbau - einige hundert Meter dieser Leitung zum Opfer gefallen.

Ein rätselhafter Befund hat sein Geheimnis bis heute noch nicht preisgegeben: In Niederkastenholz steht unterhalb der alten Kirche ein Brunnen, dessen heilkräftiges Wasser vor einigen Jahren versiegte, als seine unterirdische Ader bei Kanalarbeiten angeschnitten wurde. Dieser Brunnen soll bis in römische Zeit zurückreichen.


Am Romanischen Haus in Münstereifel bestehen die Fensterpfeiler aus Kanalsinter

Unterhalb dieses Brunnens nun ist ein niedriges Mauerwerk angelegt, dessen eigenartige Bauweise es unzweifelhaft als römisches erkennen läßt: Ein harter Beton, von dem im Laufe der Zeit oberflächlich der Mörtel ausgewittert ist, so daß er heute noch recht roh aussieht. Diese Mauer setzt sich in das Haus nebenan fort. Über seinen weiteren Verlauf ist bis heute nichts bekannt. Die eigentliche Eifelleitung liegt weit unterhalb dieser Stelle im Wiesenland. Aber weit oberhalb der Kirche ist im Gartenland von Kirchheim ein Quellgebiet bekannt, das in römischer Zeit schon erschlossen worden ist. Bei Anlage der modernen Abwasserleitung ist eine unterirdisch verlegte, mit großen Sandsteinplatten abgedeckte römische Wasserrinne an zwei Stellen - in der Straße Flamersheim - Arloff und oberhalb in der Dorfstraße gesehen worden. Sie verlief in der Richtung auf die Burg Niederkastenholz hin. Wo sie wirklich hinführte, ist bis heute nicht bekannt. Es mag sich dabei um eine lokale Leitung handeln, die einen größeren Gutshof versorgt hatte, oder aber es war eine Wurzelleitung für den großen Eifelkanal.

Von diesem bedeutenden antiken Ingenieurbau, als welcher der „Römerkanal“ sich immer mehr zu erkennen gibt, ist im Kreis Euskirchen auf den ersten Blick wenig mehr zu sehen. In diesen Tagen werden die Aufschlüsse in Kreuzweingarten wieder zugänglich sein. Ein Besuch lohnt sehr. Wie keine andere bisher bekannte Stelle zeigt diese, welche Schwierigkeiten sich im jahrelangen Betrieb der Leitung bemerkbar machten: das frische kalkreiche Wasser setzte Jahr um Jahr eine immer dicker werdende Kruste von Kalksinter in der Leitung ab, am stärksten am Boden, nach oben hin schwächer. Mit der Zeit verengte dieser ausgefällte Kalk den Leitungsquerschnitt so, daß immer weniger Wasser befördert werden konnte. Der Belag mußte herausgemeißelt werden. Kreuzweingarten ist der einzige Punkt, an dem sich dieses langwierige Reinigungsgeschäft nachweisen ließ. Unten im Tal - weitab von unserer Leitung - ist vor Jahren eine kleine römische Abwasserleitung aufgedeckt worden, die nun kurioserweise zum Teil aus solchen aus der großen Frischwasserleitung oben ausgebrochenen Sinterstücken bestand. Das heißt also, daß in römischer Zeit der Kanal mindestens einmal, wenn nicht öfter, sich mit diesem Sinter zugesetzt hatte.


Kreuzweingarten - Pfarrer Reinartz am Römerkanal 1922
Foto: Kreisbildarchiv

Dieser Kalksinter ist im Mittelalter zu einem begehrten Werkstein geworden, den man heute noch an mancher alten Kirche unserer Heimat wieder entdecken kann. Der Kanalsinter ist braun und zeigt abwechselnd hellere und dunklere Schichten, die wie Jahresringe eines Brettes aussehen. Er ist verhältnismäßig weich und läßt sich leicht bearbeiten. Wetterbeständig ist er nicht, aus welchem Grunde er selten an Außenflächen von Bauwerken verwendet wurde. Besonders im Kreis Euskirchen läßt sich dieser merkwürdige und sonst doch seltene Werkstein da und dort aufspüren. In der Kirche zu Münstereifel ist er ausgiebig verwendet worden. Bekannt sind die zwei großen Säulen rechts und links vom Eingang, aber bei der Restaurierung der letzen Jahre freigelegte und restaurierte romanische Haus in Münstereifel hat nach seiner Restaurierung wohl das beste Beispiel für die Verwendung dieses Werkstoffes gegeben. Bei allen Fensteröffnungen, es sind vier mit drei Bogen und neun mit zwei Bogen, bestehen die Säulen mit Base, Kapitell und Sattelkämpfer und das Fensterbrett aus diesem Sinter. Im ganzen waren es 17 solcher Stützen. Die große Zeit der Ausbeutung des Kanals nach diesem marmorartigen Mineral lag im 12. Jahrhundert. Doch nicht nur dieser Sinter, sondern das ganze Mauerwerk war in jener Zeit als willkommener Steinbruch begeht.

So erkennt man heute noch gut auf dem kleinen Kirchlein in Odendorf auf der Außenseite viele Mauerglieder, die aus der römischen Wasserleitung ausgebrochen sind. Das eindrucksvollste Beispiel allerdings ist die Burg Münchhausen, deren dickwandiger runder Turm ganz aus Betonblöcken besteht, die aus der römischen Wasserleitung herausgetrennt worden sind.

Für Heimatfreunde des Kreises wäre es wohl eine reizvolle Aufgabe, festzustellen, wo und an welchen Bauten Material verwendet worden ist, das ursprünglich zu der römischen Wasserleitung gehörte.

*) gemeint ist der alte Kreis Euskirchen ohne den hinzugekommenen Kreis Schleiden (Edition woenge.de)

andere Fotos: Landesmuseum

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1966

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