Die Franzosen richteten Cantone und Mairien ein

Von Karl Otermann

Als im heutigen Kreise Euskirchen die moderne Behördenverfassung und Kommunalverwaltung begann


Im Oktober 1794 hatten französische Revolutionstruppen die rheinischen Lande des Rheines erobert. Damit war in diesem Raume der überlebten Kleinstaaterei ein Ende bereitet. Schon am 1. Oktober 1795 erklärte der Konvent in Paris, die Länder auf dem linken Rheinufer seien für immer mit Frankreich vereint. Doch erst im Frieden von Lunéville, am 9. Februar 1801, wurde im Namen des Deutschen Reiches das linke Rheinufer der vollen Souveränität der französischen Republik zugewiesen und blieb anschließend bis zum Zusammenbruch Napoleons in dessen Kaiserreich. Die moderne Einrichtung des zentralistischen französischen Staates setzte sich auch im Rheinland durch.

Die französische Regierung hatte allerdings schon seit dem 4. November 1797 das ganze linke Rheinufer mit Frankreich vereinigt, und am 23. Januar 1798 hatte der Gouvernementskommissar Rudler nach französischem Muster das eroberte Land am Rhein in vier Departements eingeteilt: Rur (Roer), Rhein-Mosel, Saar und Donnersberg. Gewiß, von Paris aus wurden diese rheinischen Departements zunächst noch als besondere Einheit verwaltet, doch mit dem 23. September 1802, dem 1. Tag des Jahres XI des französischen republikanischen Kalenders, wurden sie völlig dem französischen Staate eingegliedert. Nun galten auch am Rheine französische Gesetze und Verordnungen uneingeschränkt.

Die Departements waren unterteilt in Arrondissements (etwa Regierungsbezirke), diese wiederum in Cantone (etwa Kreise) und diese wieder in Mairien (Bürgermeistereien). Der heutige Kreis Euskirchen umfaßte demnach die französischen Cantone Zülpich und Lechenich aus dem einstigen Département de la Roer und aus dem Canton Rheinbach des einstigen Département de Rhin et Moselle die Mairien Müggenhausen, Esch (Dom-Esch) und Straßfeld aus der Mairie Olheim. Der diesem Beitrag folgende Aufsatz über den Kalender auf das Jahr 1821 läßt erkennen, daß die 17 Bürgermeistereien des damaligen Kreises Lechenich (Canton Lechenich und Canton Zülpich) und die 5 Bürgermeistereien des damaligen Kreises Rheinbaches ursprünglich Verwaltungseinrichtungen der obigen französischen zentralistischen Behördenverfassung sind.

Für das Jahr 1804, das Jahr XII des französischen republikanischen Kalenders, zählten zum Canton Zülpich folgende Mairien (Bürgermeistereien) (alte Schreibweise):








Zülpich (mit Bessenich)
Nemmenich (mit Oberelvenich, Rövenich und Weiler)
Wichterich (mit Mülheim und Niederelvenich)
Frauenberg (mit Oberwichterich, Elsig, Euenheim und Dürscheven)
Euskirchen (mit Kessenich und Billig)
Wachendorf (mit Antweiler, Weingarten, Rheder, Lessenich, Zievel, Rißdof, Eschweiler und Kalkar

1120
930
1470
1040
1600
900

Einwohner





Commern (mit gehen, Katzfey und Schaven)
Satzfey (mit Firmenich, Gartzen und Wißkirchen)
Entzen (mit Schwerfen, Lintzenich, Lövenich und Ülpenich)
Sinzenich (mit Hoven und Floren, Langendorf und Mertzenich)

700
800
900
950





Total

11500

Einwohner


Damals zählten zum Canton Lechenich:




Lechenich (mit Besheim [= Blessem], Conradsheim, Ahren, Herrig und Meller)

1960

Einwohner


Gimnich (mit Ving und Dirmertzheim)
Liblar (mit Buschfeld, Kierdorf und Bliesheim)
Friesheim (mit Borr und Niederberg)
Erp (mit Pingsheim und Dorweiler)
Lommersum (mit Hausweiler, Derkum und Ollen [Ottenheim])
Weilerswist (mit Groß- und Klein-Vernig, Schwartzemar und Metternich)

2000
1600
1450
1440
1400
1700







Total

11550

Einwohner


Für den Canton Rheinbach, später Kreis Rheinbach, bei dessen Auflösung im Oktober 1932 die bereits vorhin genannten Bürgermeistereien bzw. Gemeinden dem Kreise Euskirchen zugewiesen wurden (1827 war Euskirchen an Stelle von Lechenich Kreishauptort geworden), ergibt sich nach einer Statistik aus dem Jahre 1812 eine Gesamteinwohnerzahl von 22.115.

Davon hatte die Mairie Münstereifel 5.130 Einwohner mit folgenden Gemeinden/Dörfern: Münstereifel, Arloff und Kirspenich, Effelsberg, Houverath, Iversheim, Mahlberg und Langscheid, Mutscheid, Schönau.

Die Mairie Cuchenheim hatte 4.537 Einwohner mit den Gemeinden/Dörfern: Cuchenheim, Flamersheim, Groß-Büllesheim, Klein-Büllesheim, Nieder-Castenholz, Palmersheim, Roitzheim, Stotzheim, Weidesheim, Wüschheim, Kirchheim, Schweinheim.

Die Mairie Olheim zählte 3.923 Einwohner, wobei für die Gemeinden/Dörfer, die später zum Kreise Euskirchen kamen, folgende Einwohnerzahlen vorliegen: Müggenhausen (mit Neukirchen und Schwarzmaar) 228, Esch (Dom-Esch) 291 und Straßfeld 200. Die Cantons-Stadt Rheinbach hatte damals 1.250 Einwohner.


Ausschnitt aus der Tranchot-Karte (1803/13)
Karte: Kreisbildarchiv

Die statistischen Angaben für die Cantone Lechenich und Zülpich sind entnommen dem französischen Jahresbericht „Statistique du Département des la Roer. Par A. J. Dorsch, Sous Préfet de l'Arrondissement de Cleves. An XII (1804).“ Hier finden wir neben allgemeinen Beschreibungen über Land und Leute auch jeweils eine besondere Charakteristik der Hauptorte der Cantone. Im Vorwort heißt es dort: „Le Département de la Roer est un des plus beaux, des plus riches de l'ancienne et de la nouvelle France“ (Das Departement der Rur ist eines der schönsten, der reichsten des alten und neuen Frankreich). Für Zülpich ist vor allem vermerkt: „C'est dans ces environs, ans la bruyere des Walmer, ou Clovis, roi des francs, agé de vingt-huit ans défit en 496 les germains, et fixa le Rhin pour la limite de son empire.“ (Übersetzung: Es geschah in dieser Gegend, auf der Walmersheide, wo Chlodwig, König der Franken, 28 Jahre alt, im Jahre 496 die Germanen besiegte und den Rhein als Grenze seines Reiches festlegte.“)

Diese Formulierungen und Aussagen sind nur zu verstehen im Zusammenhang mit dem französischen Imperialismus den rheinischen Landen gegenüber, mit dem Wiederaufleben der sogen. klassischen französischen Rheinpolitik. Sie haben mit historischer Wahrheit nichts zu tun. Denn das geschaffene „Roer-Departement“ hat vorher nie zu Frankreich gehört, und für das 5./6. Jahrhundert ist es unmöglich, vom Kampf der Franken (lies: Franzosen) gegen die Germanen (lies: Deutschen) zu sprechen, wie auch vom Rhein als der Grenze des (französischen) Chlodwig-Reiches. Erst nach dem Vertrag von Verdun im Jahre 843 gehen der Westen und Osten des karolingischen Frankenreiches den Weg in die Nationalstaaten Frankreich und Deutschland. Diesen Vorgang erkennt auch die französische Geschichtswissenschaft heute an.

Und wenn wir in der Krypta der Zülpicher Pfarrkirche noch die Tafeln finden, die 1811 auf ausdrückliche Verfügung Napoleons dorthin geliefert sein sollen, so bedeuten sie nichts anderes als der Versuch einer Fixierung der alten französischen Ausdehnungspolitik zum Rheine hin, zur „rechtmäßigen“ Inbesitznahme des Rheinlandes. Denn wenn schon 496 dort die Franken (Franzosen) die Germanen (Deutschen) besiegt haben und das Land genommen haben sollen, dann kann man wohl einen gewissen Rechtsanspruch nach altem Verfahren nicht leugnen.

Glücklicherweise gehören alle diese Vorstellungen und Ambitionen der Vergangenheit an - und hoffentlich bleibt es auch so, zur Ruhe und Sicherheit der Völker. Die Franken waren keine Franzosen und auch keine Deutschen. Sie waren einer der vielen germanischen Stämme. Durch Karl den Großen (bei den Franzosen Charlemagne) wurde das aus der germanischen Völkerwanderungszeit geborene Frankreich so erweitert, daß es sich als imperium christianum weit über die Völker des Abendlandes erhoben hatte. Eine abendländische Kulturgemeinschaft begann sich abzuzeichnen, war aber nicht stark und wirkungsvoll genug, um die nationalstaatliche Entwicklung, die schließlich in zerstörender „Erbfeindschaft“ gipfelte, im Griff halten und friedvoll, aufbauend lenken zu können.

Es mag nicht uninteressant sein, heimatgeschichtlich festzustellen, daß einstens die französische Ausdehnungspolitik in unserem Raume am Beispiel Zülpich, dem alten römischen Tolbiacum, versucht hat, gewisse Rechtsformen zu entwickeln und sie zur staatsrechtlichen Anerkennung zu bringen.

(In diesem Zusammenhang wollen wir uns nicht damit auseinandersetzen, ob 496 eine Schlacht bei Zülpich oder gar die Schlacht zwischen Franken und Alemannen stattgefunden hat. Zülpichs Ortshistoriker H. van der Broeck verteidigt die Schlacht von 496 für Zülpich. Aber Zülpichs Museumsleiter und Ortshistoriker P. H. Pesch, Mentor und Nestor weit über Zülpich hinaus, kommt zum Ergebnis, daß sich nur die Luftschlacht vom Heiligen Abend 1944 für Zülpich beweisen lasse.)

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1968

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