Die Wallbündel von Knittingen

Eine Laune der Natur oder frühzeitliche Anlage?

In der Nähe von Steinbrüchen lassen sich oftmals keltische Zeugnisse vermuten. Die bei Knittingen aufzufindenden nebeneinanderliegenden Wälle und Gräben lassen einen Besucher skeptisch über deren Entstehung nachdenken. Etwa 400 m ziehen sich mehre Wälle und Gräben in Richtung eines ehemaligen Steinbruches.


Zu Beginn der Wallwegbündel auf der Talseite
Digitalfotos 11.9.2002 - 8.30 - 9.00 Uhr

Für ihre Entstehung muten sich folgende Erklärungen an:
1. Hohlwege für den Stein- oder Holztransport
2. Natürliche durch Erosion eingegrabene Längsgräben
3. Keltische oder vorzeitliche Anlage zu kultischen Zwecken
4. Verteidigungsanlagen, einen Angreifer in den Gräben zu überwältigen und in einen obigen Steinbruch zu locken.


Unteres Drittel: Die anfangs noch flach verlaufenden Wälle und Gräben dürften dereinst wesentlich markanter ausgeprägt gewesen sein.


Oben: Während es in der Mitte wohl 10 Gräben nebeneinander sind, befinden sich am Oberende nur wenige tiefe Gräben und hohe Wälle. Ein idealer Ort für einen Hinterhalt.


Mittelschnitt: Prinzipzeichnung - Scheinbar ungeordnet ohne Schema ziehen sich die Gräben in Längsrichtung. Zur Talseite laufen sie flach aus und ähneln den Ausläufern einer ehemaligen Murenlandschaft, irgendwo im Walde verlaufend. Zur Mitte hin werden die Gräben und Wälle 7 oder 9 Meter hoch und enden oben abrupt an einer Felswand bzw. am steil ansteigendem Berg zum Steinbruch hin.


Unten: Nur wenige auslaufende murenartige Gräben.

Sicher haben die Gräben einst auch zur Holzabfuhr gedient. Durch das sogenannte „Schleifen“ wurden ein oder mehrere von Ästen bereinigte Baumstämme hinter einem Pferd mittels Zuggeschirr zu Tal geschleift. Hierzu nutzte man vorzugsweise den Verlauf von Vertiefungen im Gelände, die sich oftmals durch kleine Bäche oder durch die Erosion weitergruben.



Graben im oberen Teil des unteren Drittels im rechten Außenbereich

Die Eigenartigkeit, daß bei Knittlingen mehrere solcher Gräben und Wälle vorhanden sind, regt jedoch zum Denken an. Es leuchtet auch ein, daß bei Nässe und aufgeweichten Böden wie sonstigenorts bei Hohlwegen, in unmittelbarer Nähe eine neue Fahrt gesucht werden mußte. Es leuchtet auch ein, daß sich die natürliche Erosion oder ein Verlauf eines kleinen Baches einen oder mehrere Einschnitte ins Gelände gegraben hat. Daß jedoch 5 oder 8 oder 12 nebeneinanderliegende solche Gräben vorhanden sind, die ineinander münden oder abzweigen, läßt sich rational nur schwer erklären.


Breitere Auslaufmulde im oberen Drittel

Wer sich mit den Steinalleen von Carnac in der Bretagne befaßt hat, steht hier ebenso vor einem Rätsel der Vergangenheit, welchem Zweck diese Wälle und Gräben einst gedient haben könnten. An die Stelle von Gräben und Wällen rücken hier tausende von größeren und kleineren Menhiren, die in mehreren Reihen nebeneinanderliegen.


Ende der Wälle und Gräben im Steinbruchbereich

Die Kraichgauer Cairnforscher schildern das Wallbündel als eine über 100 m breite Bündelung von Prozessionsstraßen, die vergleichbar der jüngst ausgegraben Prozessionsstraße auf dem Glauberg in Hessen, auf Erdwällen verliefen. Der höchste Wall befindet sich exakt in der Mitte. Man könnte ihn auch als den goldenen Mittel- oder Königsweg bezeichnen.

Die keltische Mythologie in Form der bretonischen "Versdindshenchas" schildern die Funktion dieser Wälle nahe der keltischen Königsstadt Tailtiu in Irland sehr genau: "Die Männer gehen nicht auf dem Wallgang der Frauen, die Frauen gehen nicht auf dem Wallgang der schönen und reinen Männer. Jedem kommt in der großen Versammlung ein Platz zu, der seinem Rang entspricht."

Daher also die vielen nebeneinander verlaufenden und verschieden hohen Wälle, die dem Rang des Wallfahrenden angemessen waren. Diese Gebiet wird "Reichshalde" genannt. Anzunehmen ist, daß hier tatsächlich einst das zentrale Heiligtum des keltischen Reiches war. Halde, damit wird heute mißverständlich bezeichnet, was einst ein steinernes Grabmonument war. Heute steht der Ausdruck für alles, was irgendwie zusammengeschüttet ist und einen Haufen bildet. Ursprünglich jedoch geht Halde auf die germanisch-keltische Todesgöttin Holda oder Hel zurück, die den Helden (auch von Halde abgeleitet) in der Höhlenwelt ihre jenseitige Heimstatt bereitet.

Alle Wallwege der Reichshalde enden abrupt an einem steil aufragenden Bauwerk, dem ersten Stufenbauwerk von insgesamt drei, die sich über die ganze Höhe des Hanges erstrecken. Auf diesen großen Stufenbauwerken wurden wiederum einzelne kleinere Bauwerke aufgebaut, die in ihrer Form und in ihrer architektonischen Struktur den Cairns der europäischen Megalithkulturen gleichen. Ein treppenartiger Einschnitt führt in den Boden eines dieser Plateaus. Ein rundum trocken gesetzter Schacht ist dort feststellbar. Insgesamt ein zweifellos komplexes Bauwerk, das, wie alle von den Hobbyforschern untersuchten Bauwerke der Gegend, endlich von den staatlichen Archäologen untersucht werden müßte.

Eine rationelle Erklärung konnte noch nicht für die Entstehung und den Zweck solcher Anlagen gegeben werden. Auf jeden Fall ist ein Ausflug nach Knittingen für einen Heimatkundler und Vorzeitforscher empfehlenswert.

Zu den Exkursionen in die Kelten- und Vorzeit
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Unsere Dorfsteinbrüche“
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